Gertraudenfriedhof Gertraudenfriedhof: Der Tod schreitet selbstbewusst voran
Halle/MZ. - Die "Endlose Straße" ist sicherlich eines der bedeutendsten Kunstwerke im öffentlichen Raum von Halle. Aber was heißt hier: öffentlicher Raum. Es befindet sich seit 1980 im Kolumbarium des Gertraudenfriedhofes und hat damit einen guten Ort. Denn die meisten, die hierher kommen, sind betroffen. Sie haben einen Menschen beerdigt, ein Grab besucht und nun stehen sie plötzlich vor diesem Denkmal. Der Tod schreitet voran, gelassen und selbstbewusst. Ihm folgen 24 Figuren, die einerseits Haltungen zum Tod symbolisieren, andererseits unterschiedliche Formen des Sterbens darstellen.
Da gibt es welche, die sind sehr gelassen, sie haben sich mit dem Unvermeidlichen abgefunden. Zu ihnen kann man den Gläubigen und den Gelehrten zählen, aber auch das alte Ehepaar. Man glaubt eine Selbstdarstellung Richard Horns und seiner Frau zu erkennen. Anderen ist das Entsetzen über ihr ungewolltes Sterben anzusehen.
Horn hat seinen Figuren Titel gegeben: "Der Aufgerufene", "Der Stürzende"... Das versetzt den Betrachter in Betriebsamkeit. Hin zur Tafel, einen Namen einprägen, Suche nach der Figur, zurück zur Tafel... Zweifellos wird so die Auseinandersetzung intensiver - und die Frage um so drängender: Warum gerade diese Darstellung? Mit dem Tode konfrontiert, habe ich, der Betrachter, anderes erlebt.
1988, ein Jahr vor seinem Tode, unterhielt ich mich viele Stunden mit Richard Horn über Sterben und Tod und natürlich auch über die "Endlose Straße". Da sagte er, dem Sinne nach, dass dies ein sehr privates Werk sei. Er habe nur zwei Stunden gebraucht, um zu wissen, was er darstellen wollte und dann ein paar Wochen, um die Figuren in Ton zu modellieren. Sein ganzes Leben habe er sich mit dem Tod auseinandergesetzt. Sein Vater war Bildhauer und fertigte hauptsächlich Grabsteine und Kriegerdenkmale, dort hat Horn sein Handwerk gelernt.
In seinem späteren Werk hat er sich oft mit der Ausgestaltung von Friedhöfen beschäftigt, und die "Endlose Straße" war für ihn das Abschlusswerk. "Der Tod stirbt nie, er ist eine lebendige Angelegenheit, und so habe ich sie darzustellen versucht...", sagte Horn. Es sei seine Lebensgeschichte, bezogen auf Sterben und Tod. Der Betrachter muss akzeptieren, dass hinter dieser Vielfalt die Persönlichkeit des Künstlers steht. Doch muss man das nicht wissen, wenn man den "Soldaten" betrachtet. Der Stahlhelm reicht bis zur Nase. Blicklos, wie eine Marionette, marschiert er dem Tod hinterher.
Mit Denkmälern verbindet sich oft die Vorstellung, dass sie monumental sind. Diese hier nicht, man wird überrascht sein, wie klein sie sind. Das Auge kann sie mit einem Blick erfassen. Doch nachträglich, in der Erinnerung, beginnen sie zu wachsen und sie lassen einen nicht mehr los.