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Geigenhandwerk in Halle Geigenhandwerk in Halle: Wie Geigen in Halle Italien-Urlaub machen

Von Sandy Schmied 10.04.2015, 15:19
Geigenbauer Wolfram Ries bringt alte Geigen in seiner Werkstatt am Domplatz wieder in Schuss. Dort baut er auch neue Instrumente.
Geigenbauer Wolfram Ries bringt alte Geigen in seiner Werkstatt am Domplatz wieder in Schuss. Dort baut er auch neue Instrumente. Günter Bauer Lizenz

Halle (Saale) - Während draußen am Fenster der Wind vorbei pfeift und drinnen klassische Musik durch den Arbeitsraum tönt, baut Wolfram Ries an einem neuen Instrument. Der Korpus ist fast fertig gestellt, in den nächsten Tagen soll lackiert werden. Wenn die Hände des Geigenbauers geübt das Instrument bearbeiten, sieht man ihnen das viele Arbeiten mit Werkzeugen an. Hobeln, Bohren, Schnitzen - all das gehört zur Arbeit des 43-Jährigen. Wolfram Ries machen ein Kratzer oder eine kleine Schürfwunde nicht viel aus. Seine Instrumente hingegen sind weitaus empfindlicher. Hat eine Geige Risse bekommen oder haben sich Leimstellen gelöst, ist schnell eine professionelle Reparatur nötig.

Die richtige Bräune verleiht das Geigen-Sonnenstudio

Schon der Bau der Streichinstrumente ist so anspruchsvoll wie detailreich. „Wenn der Korpus fertig zusammengebaut ist, ist das Holz sehr hell. Bevor es lackiert wird, muss es aber noch dunkler werden“, sagt Ries. Wie aufwendig das ist, hat der gebürtige Bayer schon während seiner Ausbildung in der Musikinstrumentenbauschule Mittenwald erlebt. „Dort gibt es einen Lichtgang mit riesigen Fenstern Richtung Süden, wo die Geigen vor dem Lackieren hängen, um in aller Ruhe nachzudunkeln.“. Ein halbes Jahr, manchmal auch einige Monate länger, lassen sich die Instrumente dann die Sonne aufs Holz scheinen. Im warmen Italien werden die Geigen gleich draußen aufgehängt. Schlechte Witterung ist dort schließlich weniger zu fürchten.

Ozon-Gas für die Geigen

Weil Wolfram Ries in seiner Werkstatt am Domplatz aber die Zeit und auch das Licht fehlen, um seinen neuen Instrumenten den passenden farblichen Untergrund zu verleihen, hat er angefangen zu experimentieren. Was sonst Monate dauert, schafft er jetzt in wenigen Stunden. So wie für verhinderte Urlauber das Sonnenstudio als Ersatz für den Italienurlaub herhalten muss, bekommen die Instrumente des Geigenbauers statt monatelang Tageslicht eine Kurzbehandlung mit dem Gas Ozon verpasst. Für den Kunden macht das Verfahren keinen Unterschied, qualitativ sind die Geigen nicht voneinander zu unterscheiden. Um ein Instrument auf diese schnelle Art zu behandeln, taucht es Wolfram Ries zur chemischen Behandlung in einen Behälter. Schon wenige Zeit später hat es seine Farbe so angepasst, dass es lackiert werden kann.

Lesen Sie auf Seite zwei wie Wolfgang Ries über die USA und Norwegen nach Halle gekommen ist.

Seinen Mut auch über den handwerklichen Tellerrand zu schauen, hat er sich aus seiner Gesellenzeit in den Vereinigten Staaten mitgebracht, erklärt Ries. Nach seiner Ausbildung hat er zwei Jahre in Minneapolis, Minnesota gelebt und dort bei einem angesehenen Geigenbauer gelernt. Weil es eine Ausbildung wie Ries sie genossen hatte dort nicht gab, war man schneller bereit, selbst zu probieren und notfalls auch einmal zu versagen. Den Gedanken, auch in einem traditionellen Handwerk innovativ sein zu wollen, nahm Wolfram Ries anschließend mit nach Oslo in Norwegen, wo er ein weiteres Jahr Gesellenzeit verbrachte.

Seit 17 Jahren in Halle ansässig

Über eine weitere Station in Lübeck kam der Vater eines Sohnes und zweier Töchter schließlich nach Halle. Seit 17 Jahren arbeitet er in seiner Werkstatt mit Blick auf den Dom und empfängt dort auch seine Kunden, die vom Musikschüler bis zum Berufs- und Hobbymusiker reichen. „Seitdem hat sich in den Räumlichkeiten nichts geändert. Ich fühle mich wohl hier“, sagt Wolfram Ries. Nur einen Unterschied gibt es: Aus den drei Geigen auf den Ablagen sind mittlerweile etwa 40 geworden. Viele wurden restauriert und wieder spielfertig gemacht, nur wenige sind neu gebaute Instrumente.

Um eine Geige zu bauen, braucht Wolfram Ries etwa 150 bis 200 Stunden. Die Zeit dafür nimmt er sich immer dann, wenn Kunden seine Dienste erfahrungsgemäß weniger nachfragen, oft sind das die Monate zwischen Januar und März. Gerade erst ist Ries aus der litauischen Hauptstadt Vilnius zurückgekommen und hat dort nicht nur zwei selbst gebaute Geigen verkauft, sondern auch eine ganz andere Belohnung abgeholt. Als Preis für einen Wettbewerb gab es ein Ries-Cello und eine Ries-Geige als einjährige Leihgabe. Und die Instrumente in den talentierten Händen der Gewinner zu wissen, ist für Ries die höchste Anerkennung.