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Fußball-Ausschreitungen 2009 Fußball-Ausschreitungen 2009: Reue nach der Randale

Von ANTONIE STÄDTER 06.09.2010, 08:14

HALLE/MZ. - Auch sie sind auf den großformatigen Farbfotos zu erkennen, die dokumentieren, was sich am 7. Juni vorigen Jahres im halleschen Kurt-Wabbel-Stadion abgespielt hat: Unmittelbar nach dem Regionalliga-Spiel zwischen dem Halleschen FC und dem VFC Plauen, das die Hallenser mit 0:1 verloren haben, stürmen HFC-Anhänger in den Gäste-Fanblock. Nachdem die Polizei die Plauener Anhänger aus dem Stadion eskortiert hat, richten sich die Aggressionen der HFC-Fans dann plötzlich gegen die zurückkehrenden Beamten selbst. Erst nach etwa einer halben Stunde sind die Randalierer unter Kontrolle. Die beiden Männer sind nun die ersten, denen wegen der heftigen Ausschreitungen der Prozess gemacht wird. Und so sind an diesem Dienstagmorgen auch etliche Medienvertreter in den Sitzungssaal 30 des Amtsgerichts Halle gekommen.

Dort erleben sie zwei Angeklagte, die von Anfang an keinen Zweifel daran lassen, dass ihnen das Geschehene leid tut. Beide räumen ein, an den Krawallen beteiligt gewesen zu sein. Verletzt hatten sie niemanden. Sogar Staatsanwalt Holger Siebert ist am Ende der Verhandlung überzeugt, dass er hier keine Hooligans, sondern "durchaus echte Fußball-Fans" vor sich hat. Den Vorwurf des schweren Landfriedensbruchs sieht er - anders als die Verteidiger, die Geldstrafen wegen einfachen Landfriedensbruchs beantragen - aber erfüllt: Die Männer sind auf den Fotos mit Holzlatten zu sehen. Der ältere der beiden gesteht, eine Latte geworfen zu haben. "Das ist Scheiße, was ich gemacht habe", räumt er ein. Er habe aber nicht beabsichtigt, jemanden zu verletzen.

"Natürlich hätten Sie jemanden treffen können", sagt Richterin Westerhoff am Ende in Richtung der Angeklagten. Sie entscheidet sich bei beiden für die Mindeststrafe, die im Falle des schweren Landfriedensbruchs möglich ist: sechs Monate Haft auf Bewährung. Zudem muss jeder der beiden hundert Stunden gemeinnützige Arbeit leisten - mehr, als der Staatsanwalt gefordert hatte. "Ich sehe hier zwei Jungs sitzen, die sich mitreißen lassen haben und Mist gebaut haben - einmalig", sagt sie in ihrer Urteilsbegründung. Sie sehe aber eben auch, was sich an jenem 7. Juni 2009 im halleschen Stadion zugetragen hat: 120 bis 200 Leute "außer Rand und Band" und 18 verletzte Polizisten. - "Sie waren Teil davon!" Und sie hält sie ihnen vor: Der HFC könnte schon in einer ganz anderen Liga spielen, wenn er nicht so viele Strafen wegen Fanausschreitungen zahlen müsste.

Irgendwann, so der Jüngere der beiden zu Prozessbeginn, habe er gedacht: "Was mache ich hier eigentlich?" Eigentlich habe er die erfolgreiche Saison feiern wollen. Es habe ihn "total sauer" gemacht, dass die Stadioneinrichtung zerstört wurde, so der gelernte Koch, der nach eigenen Angaben seit elf Jahren regelmäßig zum Fußball geht und sich schon oft bei HFC-Fan-Projekten beteiligt hat. Nachdem ihn eine Holzlatte am Arm getroffen habe, habe er sie aufgehoben - um sie dann wieder fallen zu lassen. Das Stadionverbot, das ihm wie auch dem zweiten Angeklagten auferlegt wurde, "tut sehr weh", so der 26-Jährige, der nicht vorbestraft ist. In seinem Schlusswort sagt er: "Ich bereue zutiefst."

Auch der zweite Mann auf der Anklagebank, der als Kommissionierer tätig ist, drückte nochmals sein Bedauern aus: Es tue ihm leid, "dass es so weit gekommen ist". Zuvor hatte er betont, dass er nichts gegen Polizisten habe - "das liegt nicht in meiner Natur". Bei dem Spiel sei er alkoholisiert gewesen. Der ledige 29-jährige Hallenser, der nicht einschlägig vorbestraft ist, hatte sich selbst gestellt, nachdem er öffentlich von der Polizei gesucht worden war.

Mit Genehmigung des Gerichts war in einer beispiellosen Fahndungsaktion mit Fotos nach einer Vielzahl der Täter gesucht worden. Mit Erfolg. Laut Staatsanwalt Holger Siebert sind bis heute 103 Personen namentlich bekannt, die an den Krawallen damals aktiv beteiligt gewesen sein sollen. Vierzig von ihnen seien angeklagt. In den kommenden Monaten sind weitere Prozesse gegen Beteiligte der Randale geplant. Gegen 21 mutmaßliche Krawallmacher werde noch ermittelt, so Siebert. Das begründete der Staatsanwalt damit, dass diese Personen erst nach der letzten Öffentlichkeitsfahndung im Juni dieses Jahres identifiziert geworden seien.

Beim Saisonabschluss im Juni 2009 kam es nach dem Spiel des HFC gegen Plauen zu schweren Ausschreitungen im Kurt-Wabbel-Stadion. (FOTO: ANDREAS LÖFFLER)
Beim Saisonabschluss im Juni 2009 kam es nach dem Spiel des HFC gegen Plauen zu schweren Ausschreitungen im Kurt-Wabbel-Stadion. (FOTO: ANDREAS LÖFFLER)
CARDO