Freitod auf der Peißnitz Freitod auf der Peißnitz: Warum sich der hallesche Notar erschoss

Halle (Saale) - Adolf Weißler war Notar und ein angesehener Mann und Familienvater in Halle. Und doch endete sein Leben tragisch, er erschoss sich am 25. Juni 1919 auf der Nordspitze der Peißnitz: „Ich habe mit diesem Entschluss seit den Oktobertagen 1918 gerungen. Aber was zu viel ist, ist zu viel. Es ist jetzt besser gestorben zu sein als zu leben“, schreibt er in einem Abschiedsbrief an seine Familie.
Zuviel, das war für den bekennenden Patrioten die von ihm als Schmach empfundene Niederlage des Deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg und der daraus resultierende Versailler Friedensvertrag. „Seid überzeugt, mich hat kein anderer Grund getrieben“, schreibt er weiter.
Gedenkveranstaltung im Landgericht Halle
Diesen Brief hat der 1855 in Schlesien geborene Jurist am 24. Juni geschrieben, die Familie war nach Auffinden des Briefes am nächsten Tag beunruhigt und ahnte das Schlimmste. Denn Weissler war früh aus dem Haus am heutigen Universitätsring gegangen, zur Peißnitz, wie jeden Tag. Doch er kam nicht zurück. Ein Suchtrupp der Polizei mit Fährtenhund fand die Leiche des damals 63-Jährigen am Abend um 18.40 Uhr im Gebüsch. Auf dem Totenschein heißt es: „Selbstmord durch Erschießen.“
An das Schicksal von Adolf Weissler erinnert die juristische Fakultät der Uni Halle am Montag, 24. Juni, und Dienstag, 25. Juni, in einer Gedenkveranstaltung im Landgericht. Ausgerichtet haben das Symposium der emeritierte Jura-Professor Armin Höland und der Rechtsgeschichtler Heiner Lück. „Die Geschichte von Adolf Weissler berührt sehr“, sagt Höland, der sich gemeinsam mit Lück seit 2003 mit dem Thema beschäftigt und auch den Nachlass von Weissler wissenschaftlich aufgearbeitet hat und ihn dem Uniarchiv im Laufe des Jahres übergeben wird.
Grab von Adolf Weissler auf dem Gertraudenfriedhof Halle
Die Teilnehmer der Gedenkveranstaltung werden auch das Grab von Weissler auf dem Gertraudenfriedhof besuchen - dass der Notar dort begraben ist, geschah auf seinen eigenen Wunsch. Denn als Sohn einer jüdischen Mutter hätte sein Grab auf dem jüdischen Friedhof sein sollen. „Aber Weissler war ein entschiedener Gegner des Judentums. Er ließ seine Söhne gegen den Willen seiner jüdischen Frau evangelisch taufen“, so Höland.
Die Leiche von Weisslers Witwe Auguste konnte nicht auf dem Friedhof bestattet werden: Als Jüdin wurde sie 24 Jahre nach dem Tod ihres Mannes in Theresienstadt ermordet. Ein Gedenkstein erinnert an sie.
„Adolf Wessler war er ein glühender Patriot“
Auch wenn sich Armin Höland seit vielen Jahren mit Weissler beschäftigt, der sich unter anderem durch juristische Kommentare, die Herausgabe einer Zeitschrift des Notarvereins und die Gründung des Deutschen Notarvereins einen überregionalen Namen gemacht hatte, so bleiben viele Fragen offen.
„Obwohl Weissler durch seine jüdische Herkunft sein Berufswunsch als Richter verwehrt blieb, war er ein glühender Patriot“, so Höland. Der Kriegsausbruch 1914 habe Weissler heftig - positiv - erregt: „Er hätte gerne gesehen, dass Deutschland Europa erobert.“ Warum aber der Selbstmord für Weissler der einzige Weg war, bleibe offen.
››Gedenkveranstaltung am Montag, 24. Juni, 18 Uhr im Landgericht. Eintritt frei, Anmeldung nicht erforderlich. (mz)
