Freispruch im Untreue-Prozess Freispruch im Untreue-Prozess: Sylvia Tempel sagt dennoch "Mein Leben ist zerstört"

Halle (Saale) - Am Ende des Prozesses liefen der früheren Jobcenter-Chefin Sylvia Tempel dann doch die Tränen über die Wangen. Aus Freude: Das Amtsgericht hat die 55-Jährige vom Vorwurf der Untreue freigesprochen. Sie hat nicht, wie von der Staatsanwaltschaft angeklagt, 10.400 Euro unerlaubt von einem Konto der damaligen Arge SGB II abgehoben und sich damit eben nicht der Untreue schuldig gemacht.
Richter Nicolai Petersen: „Dieser Betrag stand ihr nicht zu. Aber es lässt sich nicht feststellen, dass das der Angeklagten bewusst war.“ Für eine Betrugstat muss es immer einen Vorsatz geben.
Freispruch vom Vowurf der Untreue: Ex-Jobcenter-Chefin Tempel hob regelmäßig 400 Euro von Arge-Konto ab
In dem Prozess war es um Geldabhebungen gegangen, die Sylvia Tempel auch zugegeben hatte: Ja, im Zeitraum von 2011 bis 2013 habe sie regelmäßig 400 Euro vom Konto der Arge abgehoben, weil ihr dieses Geld laut Arbeitsvertrag zustand - denn in diesem Zeitraum war sie als Liquidatorin bestellt. Die GmbH der Stadt und der Arbeitsagentur war ab 2011 von den jetzigen Jobcentern abgelöst worden.
Doch die Staatsanwaltschaft war davon ausgegangen, dass schon der Arbeitsvertrag gar keine Gültigkeit hatte und Tempel somit das Geld illegal abgehoben hat - zumal in bar, was bei einem Arbeitsverhältnis eher ungewöhnlich ist.
Freispruch vom Vowurf der Untreue: Richter sieht Stadt und Arbeitsagentur in der Schuld
Der Vertrag hatte nur die Unterschrift des damaligen Wirtschaftsbeigeordneten Wolfram Neumann als Arge-Vertreter der Stadt - nicht aber die der Arbeitsagentur. „Die Angeklagte wusste aber, dass es auch dieser Unterschrift bedarf“, so Staatsanwalt Albrecht Wetzig. Er hatte eine elfmonatige Bewährungsstrafe gefordert.
Den schwarzen Peter schob der Richter in seinem Urteil jedoch in Richtung Stadt und Arbeitsagentur: Der Arbeitsvertrag für Tempels Tätigkeit als Liquidatorin sei „uneindeutig und mit Mängeln“. So war zum Beispiel gar kein Arbeitgeber eingetragen, Wolfram Neumann hatte dennoch an der Stelle unterschrieben, wo „Arbeitgeber“ steht. „Aufgrund dieses Vertrages gab es keinen rechtlichen Anspruch auf das Geld, dafür hätte es eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung bedurft“, steht für den Richter fest.
Ex-Agentur-Chefin Sylvia Tempel: „Mein Leben ist durch diese ganze Geschichte zerstört“
Die Aussagen von Neumann und auch von Arbeitsagenturchefin Petra Bratzke seien „unklar“ gewesen und hätten von einem „engen Wissenshorizont“ gezeugt. Wie man eine Gesellschaft der Stadt und der Arbeitsagentur abwickelt und wie man eine mögliche Entschädigung der Liquidatorin korrekt in einem Vertrag festhält, das waren für alle Beteiligten damals böhmische Dörfer. „Niemand kannte sich mit der Liquidation einer GmbH aus, es war das erste und einzige Mal in der Stadt“, betonte auch Verteidiger Uwe Berthold, der Freispruch gefordert hatte.
Für Sylvia Tempel ist der Freispruch nach ihrer fristlosen Entlassung 2014 und mehren Prozessen ein Lichtblick. „Mein Leben ist durch diese ganze Geschichte zerstört“, sagte sie in der Verhandlung. Einen neuen Job hat sie noch nicht gefunden. Und ein Berufungsverfahren am Oberlandesgericht steht noch aus. Zudem will die Staatsanwaltschaft prüfen, ob sie gegen den aktuellen Freispruch Rechtsmittel einlegt. (mz)