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Frauenleiche in Heide-Nord? Frauenleiche in Heide-Nord?: Warum eine Sexpuppe auf dem Seziertisch landete

Von Alexander Schultz 22.04.2019, 13:01
Eigentlich nur noch ein Klumpen Silikon - Rechtsmediziner Rüdiger Lessig zeigt die verwitterte Puppe.
Eigentlich nur noch ein Klumpen Silikon - Rechtsmediziner Rüdiger Lessig zeigt die verwitterte Puppe. Silvio Kison

Halle (Saale) - An einen schrecklichen Fund glaubten zwei zehnjährige Kinder am 21. April 2016 in Heide-Nord gegenüber eines Spielplatzes im Lunzbergring: Ein wenig versteckt entdecken sie eine vermeintliche Frauenleiche. Auch zwei Jahre danach muss Rechtsmediziner Rüdiger Lessig noch schmunzeln, wenn er daran denkt, welcher Fall vor genau drei Jahren auf seinen Seziertisch in der halleschen Rechtsmedizin landete.

Zu sehen waren nur Kopf und Brüste, „der restliche Körper war durch Schlamm, Gras und starke Verwitterung nicht erkennbar“, sagte die Polizei. Erst nach einiger Zeit gab es Entwarnung: Es handelte sich um eine ziemlich verwitterte Silikonpuppe - die schließlich auf dem Obduktionstisch der halleschen Gerichtsmedizin landete.

Vermeintliche Leiche in Heide-Nord: „Einen Puppenfund hatten wir in der halleschen Rechtsmedizin davor nicht und danach auch nie wieder“

Lessig, Direktor des Instituts für Rechtsmedizin in Halle, und sein gesamtes Team waren amüsiert über den kuriosen Fall, erinnert er sich. Seziert wurde das sich bereits in Auflösung befindende Etwas jedenfalls nicht - es lag ja auch schließlich keine Straftat vor. „Einen Puppenfund hatten wir in der halleschen Rechtsmedizin davor nicht und danach auch nie wieder“, so Lessig.

Welchen Zweck die Silikonpuppe hatte, darüber konnte auch der erfahrene Rechtsmediziner nur spekulieren. Der Zustand war einfach zu schlecht dafür. Der Klumpen Plastik, dessen Beine nur bis zum Knie gingen und dessen Arme schon mit dem Körper verschmolzen waren, war mit einer dicken Schicht Erde, Laub und Gestrüpp bedeckt. Dem Anschein nach war die Puppe wohl keine Schaufensterpuppe, sondern eher ein Objekt der sexuellen Begierde. Auch wie lange sie schon im Gebüsch gelegen hatte, konnte Lessig nicht genau sagen. „Sehr lange, mindestens aber über einen Winter.“

Vermeintliche Leiche in Heide-Nord: Polizei und Notarzt hielten Puppe für Leiche

Aber auch der Rest der Geschichte rund um die aufregende Entdeckung in Heide-Nord war extrem kurios: Die Eltern der Kinder hatten die Polizei informiert, woraufhin ein Streifenwagen und ein Notarzt zum Fundort geschickt wurden. Alle hielten den Körper am Fundort für eine Leiche. So wurden pflichtbewusst und nach Vorschrift Kriminalpolizei und Gerichtsmedizin angefordert. Das Waldstück wurde abgesperrt - schließlich sei auf den ersten Blick ein Verbrechen nicht auszuschließen gewesen und Spuren hätten gegebenenfalls gesichert werden müssen.

„Auch der Notarzt ging von einem Todesfall aus“, sagte die damalige Polizeisprecherin. „Zu keiner Zeit war für die Beteiligten ersichtlich, dass es keine Leiche gab, da sowohl die Polizisten, als auch der Notarzt aufgrund der Situation die vermeintliche Leiche nicht berühren durften.“ Erst der Gerichtsmediziner stellte schließlich fest, dass es sich bei dem Fund nicht um eine Frauenleiche, sondern um eine Silikonpuppe handelte.

Vermeintliche Leiche in Heide-Nord: Silikonpuppe landete auf dem Seziertisch

So wurden die Ermittlungen bei der Polizei daraufhin eingestellt und die Gerichtsmediziner nahmen die Silikonpuppe eingepackt in einen Leichensack mit - schlichtweg, um sie vom vermeintlichen „Tatort“ wegzubringen, erklärt Gerichtsmediziner Rüdiger Lessig. Einen Vorwurf wollte er den Beamten und dem Notarzt dabei nicht machen, obwohl diese die Puppe nicht erkannten. Durch die Absperrung des Tatortes sei praktisch nur eine Ferndiagnose möglich gewesen.

Auch im halleschen Polizeirevier wollte man sich nach dem kuriosen Fall keinen Vorwurf machen lassen. „Die Beamten haben richtigerweise eingeschätzt, dass hier ein Verbrechen nicht ausgeschlossen werden kann“, so die Sprecherin. So hätten sie, „aufgrund einer sehr unklaren Auffindsituation“, vorschriftsmäßig entschieden, dass man die Gerichtsmedizin hinzuziehen müsse. Mit den Kindern wurde laut Polizei anschließend ebenfalls gesprochen. Sie seien darüber informiert worden, dass es sich bei ihrem Fund nicht um eine Frauenleiche, sondern um eine Silikonpuppe gehandelt habe, „so dass sie keinen weiteren Schaden davongetragen haben.“

Rechtsmedizin in Halle: Jährlich mehr als 300 Obduktionen

Bei der Polizei in Halle konnte man sich an einen ähnlichen Fall wie den vor zwei Jahren nicht erinnern. Der Ablauf könnte aber immer wieder so geschehen, hieß es. Auch in der Gerichtsmedizin der Uniklinik blieb dieser Fall bis heute einmalig. „Es gibt immer wieder Fälle, welche außergewöhnlich sind“, so Lessig. Dies sei dann aber vom Hergang beziehungsweise dem fachlichen Aspekt aus gesehen, erklärt der Rechtsmediziner. „Damit meine ich solche Fälle, wie den der ermordeten Yangjie Li in Dessau.“ Insgesamt liegen in seinem Institut pro Jahr mehr als 300 Obduktionen an. „In der Außenstelle in Magdeburg kommen noch einmal 350 bis über 400 dazu“, so Lessig.

Und was passierte mit der „toten Sexpuppe“ vor drei Jahren? „Die Puppe hat die zuständige Polizei abgeholt“, sagt Lessig und schmunzelt. (mz)