Franckesche Stiftungen Franckesche Stiftungen: So wurde die historische Schulstadt vor dem Verfall gerettet

Halle (Saale) - Wer heute vor dem strahlend weißen Historischen Waisenhaus am Franckeplatz steht, ahnt vermutlich nicht, wie es um das Hauptgebäude, ja um die gesamten Franckeschen Stiftungen vor rund 30 Jahren bestellt war: „Das historische Ensemble war praktisch dem Verfall preisgegeben“, erinnert sich Thomas Müller-Bahlke an den Anblick der historischen Schulstadt bei seiner Ankunft Ende der 1980er Jahre in Halle.
Anlass für den Blick zurück ist für den Stiftungsdirektor das inzwischen 30-jährige Bestehen des Förderkreises, ohne dessen engagiertes Wirken die einmalige Schulstadt heute vermutlich nicht mehr existieren würde. Eine Open-Air-Ausstellung und insgesamt 42 historische Fotos an ausgewählten Standorten laden geradezu ein zum direkten Vorher-Nachher-Vergleich.
Marode Schulstadt war bedrückend
Sie dokumentieren den Stück für Stück mühsam erfolgten Wiederaufbau, an dem auch Müller-Bahlke großen Anteil hat. Müller-Bahlke, der zu diesem Zeitpunkt an der Universität Göttingen zur Entstehung der Lutherischen Kirche in Nordamerika geforscht hatte und 1991 promoviert wurde, war ein Jahr später wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Franckeschen Stiftungen sowie Leiter des Archivs. Seit 2003 ist er Direktor der Stiftungen - als Nachfolger von Helmut Obst.
„Die marode Schulstadt so zu sehen, war für mich damals einerseits bedrückend, zum anderen aber auch abenteuerlich“, so der Historiker, der einen Teil seiner Kindheit in Halle verbracht hat. „Mein Großvater war der letzte Waisenhauspfarrer in Halle, mein Vater ist in den Stiftungen aufgewachsen“, so Müller-Bahlke, der daher neben dem wissenschaftlichen Interesse auch einen sehr persönlichen Bezug zu den Stiftungen hat.
Als erstes und sichtbares Zeichen wurde Hauptgebäude der Stiftungen saniert
Sei man heute auf dem Areal oder in den sanierten Gebäuden unterwegs, sehe man, so Müller-Bahlke, „welcher Weg hinter uns liegt“. Die Stiftungen - zu DDR-Zeiten in Verantwortung der Universität, die kaum Möglichkeiten der Erhaltung der Bausubstanz gehabt habe - hätten quasi wie in einem Brennglas die Situation der Stadt widergespiegelt: „Ganz Halle sah doch so aus.“ Heute, 30 Jahre später, könne man sagen: Es ist schon viel geschafft.
Als erstes und sichtbares Zeichen wurde im Oktober 1995 das Hauptgebäude der Stiftungen mit seiner unverwechselbaren Frontansicht wiederhergestellt und im Beisein vom damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog eingeweiht. „Es war ein Signal der Hoffnung und der Zuversicht“, so Müller-Bahlke, der auf einem Foto, das den Förderverein im noch unsanierten Freylinghausensaal auf seiner Gründungsversammlung zeigt, selbst zu sehen ist.
Nach und nach konnte Gebäude vor dem Verfall gerettet werden
„Der Saal wurde zu DDR-Zeiten übrigens als Turnhalle genutzt“, so Müller-Bahlke. Heute ist er das kulturelle Zentrum und ein Schmuckstück des Ensembles, dessen einzelne Gebäude sukzessive saniert worden sind. Damals habe es keinen Masterplan gegeben, aber viel Elan und Gründergeist. 1998 waren die Historische Bibliothek und das Canstein Bibelzentrum fertig, 2005 dann der Lindenhof.
Zwischen 2007 und 2012 wurden die historische Häuserzeile - das Entree der Stiftungen - und 2009 bis 2011 das alte Brau- und Backhaus saniert. „Mit jedem fertiggestellten Gebäude wurde auch der Bildungskosmos größer“, so der Stiftungsdirektor mit Verweis auf eine heute lebendige Schulstadt mit dem bis heute gültigen Ansatz, die Gesellschaft weiterzuentwickeln - ganz im Sinne Franckes.
››Freiluft-Ausstellung mit 42 Fotos vom Wiederaufbau der Stiftungen (mz)




