1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. Aus Köln geflüchtet: Flucht vor Bomben: Kriegskind geht in Halle (Saale) auf Spurensuche

Aus Köln geflüchtet Flucht vor Bomben: Kriegskind geht in Halle (Saale) auf Spurensuche

Von Detlef Färber 13.05.2017, 13:00
Wieder da, nach einem Dreivierteljahrhundert: Das Kriegskind Peter Malzmüller.
Wieder da, nach einem Dreivierteljahrhundert: Das Kriegskind Peter Malzmüller. Günter Bauer

Halle (Saale)/Köln - Was Halles Bahnhof angeht, sind zwei hallesche Schuljungs von einst fast völlig einer Meinung. Obwohl sie sonst unterschiedlicher kaum sein könnten: Curt Goetz (1888-1960) ist der Eine von ihnen: Der langjährige deutsche Komödienkönig, der in der Saalestadt nicht nur die letzten Prüfungen fürs Abitur, sondern auch die ersten Prüfungen seines Liebeslebens locker bestanden hat, lobte Halles Bahnhof - wenn auch mit der hundsgemeinen Begründung, man könne die Stadt ja von hier in alle Richtungen verlassen.

Peter Malzmüller musste 1944 aus bombardierter Heimatstadt Köln nach Halle (Saale) fliehen

Auch Peter Malzmüller mag Halles imposante Eisenbahnstation. Gerade ist der 79-Jährige hier angekommen - zum ersten Mal wieder nach fast einem Dreivierteljahrhundert. Diesmal kam er freiwillig, damals nicht. Denn mit Mutter und Schwester musste das Kriegskind aus seiner bereits schwer bombardierten Heimatstadt Köln fliehen.

Dass die Familie 1944 im noch vergleichsweise ruhigen Halle auf dem Bahnhof ankam, muss den drei Kölnern erstmal wie eine kleine Befreiung aus großer Gefahr vorgekommen sein.

Vor dem Krieg geflohen: Peter Malzmüller auf den Spuren seiner Kindheit in Halle (Saale)

Den Bahnhof hat Malzmüller vielleicht auch deshalb gleich wieder erkannt. Doch jetzt wollte er weitere Spuren seines Aufenthalts in der Saalestadt suchen, was sich freilich als schwierig erwies, weil er damals erst sechs Jahre alt war. Schwer zu sagen also, was von dem, was er noch weiß, Erinnerung und was eher Familienüberlieferung ist.

Jedenfalls sei er in Halle eingeschult worden: in einer Schule in Bahnhofsnähe. Einquartiert gewesen sei die Familie im Haus eines Ortsgruppenleiters der NSDAP - eines „scharfen Nazis“ also, was bei der „Abreise“ aus Halle noch eine Rolle gespielt habe.

Peter Malzmüller erntete Prügel von Lehrerin, weil er den Hitlergruß ins Lächerliche zog

Erinnern kann sich Malzmüller noch an seine erste Lehrerin, die von den Kindern immer den Hitlergruß verlangt habe. Die Geste mit dem ausgestreckten Arm hätten die Kinder jedoch ins Lächerliche gezogen und mit dem Ausruf: „Da, es regnet!“ verbunden - was wiederum zu Ärger und einer Prügelstrafe für ihn führte. Und was dann eine Ohrfeige seiner energischen Mutter (Trägerin des Mutterkreuzes) für die prügelwütige Lehrerin zur Folge gehabt habe, so erzählt es Peter Malzmüller.

Als man im Frühjahr 1945 auch eine schnelle Besetzung Halles durch die Russen fürchten musste, habe sich die Mutter dann zur Flucht gen Süden entschlossen. „Heimlich, denn der Ortsgruppenleiter durfte das nicht wissen“, so erinnert der Kölner die Familiengeschichte. Die sei damit weitergegangen, dass Malzmüllers das Kriegsende in Bayern erlebten - von wo aus es später auf die Heimreise nach Köln gegangen sei - auf der Ladefläche eines Lasters der Amis.

Peter Malzmüller ist heute Sänger

Und seither hat der launige Rheinländer seiner Stadt die Treue gehalten. Vielleicht im Andenken an seine Heimreise hatte er beruflich vor allem mit Autos zu tun - und war im Fahrdienst der Landesregierung von Nordrheinwestfalen tätig. So manchen Staatssekretär und sogar einen Landesminister habe er durch die Gegend kutschiert, so erinnert er sich: Lange her auch das.

Nicht lange her sondern unvermindert aktuell ist, dass Peter Malzmüller - oder Pitt’r, wie er in Köln heißt - Sänger ist. Und Hobby-Dichter. Und als ein solcher tritt die Frohnatur auch bei allerlei Veranstaltungen auf, allerdings - wichtige Ausnahme! - nicht beim Karneval.

Was er singt, sind - neben Kölschen Klassikern des Frohsinns und der Gemütlichkeit - auch viele eigene Texte, die womöglich das Zeug dazu haben, den von Bands wie den Höhnern bestückten „Viva Colonia“-Kanon mit weiteren Ohrwürmern anzureichern. So besingt Peter Malzmüller von der Morgensonne (dat „Morjensönnche“) bis hin zur schönen alten Straßenbahn so ziemlich alles um sich her.

Da nimmt es nicht wunder, dass ihm bei seiner Spurensuche in Halle jetzt auch schnell ein Vers einfiel, der geeignet ist, den halleschen Frühling zu besingen: „Gestern“ - so seine hochdeutsche Übersetzung - „sind wir nach Halle gekommen. Die Bäume waren schon grün, aber sie hatten noch keine Pfläumchen“. (mz)