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Fachkräftemangel Fachkräftemangel: Warum für viele eine Meisterausbildung nicht attraktiv ist

Von Silvia Zöller 04.07.2019, 10:00
Der Hallenser Ernesto Barth lernt jeden Freitag und Samstag am Bildungszentrum Osendorf. Er besucht dort die Meisterschule.
Der Hallenser Ernesto Barth lernt jeden Freitag und Samstag am Bildungszentrum Osendorf. Er besucht dort die Meisterschule. Silvio Kison

Halle (Saale) - Ernesto Barth kennt die Zahlen gut: Rund 13.000 Euro kostet die Meisterausbildung, die der 36-jährige Hallenser gerade absolviert. Der Maler und Lackierer besucht jeden Freitag und Samstag die Meisterkurse im Bildungszentrum Osendorf: „Das ist sehr kräftezehrend“, sagt er. Denn dreieinhalb Jahre läuft seine Ausbildung. Eigentlich: Weil nicht genug Meisterschüler zusammengekommen sind, musste er ein Jahr auf den zweiten Teil nach der Zwischenprüfung warten und pausieren. „Deswegen werde ich erst im Frühjahr 2020 mein Meisterstück ablegen können, nach über vier Jahren Ausbildung“, bedauert er.

Finanzierung Meisterausbildung: Meister-Bafög, Arbeitgeber oder staatliche Förderung?

Doch im Gegensatz zu vielen anderen der rund 10.000 bereits ausgebildeten Meister im Bereich der Handwerkskammer Halle muss Ernesto Barth die Kosten für die Meisterausbildung nicht selbst tragen - der Arbeitgeber übernimmt sie. Auf Titus Rath, der in einem Querfurter Autohaus arbeitet und sich parallel zum Kfz-Technikmeister ausbilden lässt, kommen rund 5000 Euro an Kosten zu. Der 37-jährige erhält das sogenannte Meister-Bafög für die Finanzierung der Fortbildung: „Ein Teil davon wird bei erfolgreicher Prüfung erlassen“, sagt er. Insgesamt fallen für seine Ausbildung rund 10.000 Euro an. Viel Geld, doch was den Familienvater noch mehr belastet, ist der Zeitaufwand. Einen Vollzeitlehrgang kann er sich nicht leisten, „weil ich mit dem Bafög meine Familie nicht durchbringen kann.“

Zwei Beispiele, die verdeutlichen, warum für viele eine Meisterausbildung derzeit nicht attraktiv ist - und den Fachkräftemangel noch weiter befördern. Der Präsident der Handwerkskammer Halle, Thomas Keindorf, unterstützt einen Vorschlag von Sachsens Handwerkspräsident Roland Ermer, nach der die Meisterausbildung vom Staat finanziert werden soll und damit für die Schüler kostenlos wird - so wie auch ein Hochschulstudium. „Grundsätzlich ist der Vorstoß aus Sachsen zu begrüßen, denn es gibt eine Ungleichbehandlung zwischen der beruflichen und der akademischen Ausbildung. Wenn diese Kosten wegfallen, würden auch mehr Gesellen ihren Meister machen“, ist sich Keindorf sicher.

Komplexe Anträge und Ausbildungsmodell nicht attraktiv

Jedoch sei auch die sinkende Zahl der Meisterschüler ein Problem, was auf die sinkenden Zahl der Gesellen zurückzuführen sei. Keindorf fordert: „Die duale Ausbildung muss bei der Berufsorientierung an allen Schulen, auch an den Gymnasien, eine Rolle spielen. Mir fehlt hier die Wertschätzung des Handwerks.“ Keindorf verweist auch auf die Begabtenförderung der Handwerkskammer und auf eine Idee des Wirtschaftsministers Armin Willingmann (SPD), von der leider nichts mehr zu hören sei: dem Meisterbonus in Höhe von 1500 Euro.

Von den Fördermöglichkeiten haben Ernesto Barth und Titus Rath auch gehört. Und auch ihre Erfahrungen damit gemacht. „Es sind sehr viele komplizierte Anträge“, sagt Titus Rath. „Das muss einfacher und attraktiver gemacht werden.“ Für den angehenden KfZ-Meister ist indes die immense zeitliche Belastung das größte Problem, da auch noch die Zeit herausgearbeitet werden muss, die er am Freitag wegen des Unterrichts fehlt. Eine Vollzeitausbildung über ein Jahr würde er bevorzugen - aber dafür gibt es derzeit kein Modell, das den Lohnausfall erstattet. „Wir haben einen Fachkräftemangel, da wäre mehr staatliche Unterstützung gut.“

Wer sich für einen Meisterlehrgang entschließt, kann Meister-Bafög beantragen. 40 Prozent der Summe sind Zuschuss, weitere 40 Prozent können nochmals als Zuschuss ohne Rückzahlung gewährt werden. Die Restsumme muss innerhalb von acht Jahren mit mindestens 128 Euro je Monat zurückgezahlt werden.

Die Hälfte der Inhaber der rund 13.000 Handwerksbetriebe im Kammerbezirk ist älter als 50 Jahre alt, ein Drittel älter als 60. Nur 138 Handwerker haben 2018 eine Meisterprüfung abgelegt.

Fördermöglichkeiten für Meisterausbildung birgt Hindernisse

Ernesto Barth hat einen Bafög-Antrag für die Kosten zur Anfertigung seines Meisterstücks abgegeben und hofft auf Bewilligung. Aber der 36-jährige nennt ein anderes Problem im Zusammenhang mit dem Meister-Bafög: „Die Förderzeit beträgt maximal vier Jahre.“ Wenn jedoch Empfänger der Förderung, so wie er, die Schule mangels Teilnehmern im Kurs unterbrechen müssen, kann diese Zeit überschritten werden.

„Die Strukturen sind das Problem“, sagt er und fragt, warum Kurse erst ab zehn Teilnehmern angeboten werden. Die Handwerkskammer rechnet freilich die Kosten gegen: „Eine Meisterfortbildung kostet Geld für Dozenten, Material, Lehrbücher und so weiter“, sagt Jens Schumann, Pressesprecher der Handwerkskammer. Die Kammer berate zu allen Fördermöglichkeiten. (mz)

Titus Rath ist angehender KfZ-Meister. Der 37-jährige erhält das sogenannte Meister-Bafög für die Finanzierung der Fortbildung. Doch auch hier gibt es Hindernisse.
Titus Rath ist angehender KfZ-Meister. Der 37-jährige erhält das sogenannte Meister-Bafög für die Finanzierung der Fortbildung. Doch auch hier gibt es Hindernisse.
Anke Losackx