Einzelhandel in Halle Einzelhandel in Halle: Wie geht es weiter mit dem oberen Boulevard?

Halle (Saale) - Es ist eigentlich ein Grund zum Feiern: Antje Lutzke, die auf der oberen Leipziger Straße in Halle eine Mode-Boutique betreibt, hat Jubiläum. Ihr Geschäft gibt es inzwischen seit 20 Jahren. Allerdings macht sich die 46-Jährige ernsthaft Sorgen, ob sie an dem Standort noch viele weitere Jahre wirtschaftlich überleben kann.
„Es wird immer schlechter“
Der Grund ist die aus ihrer Sicht zunehmende Verödung der Leipziger Straße im Bereich zwischen Hansering und Riebeckplatz, der als oberer Boulevard bekannt ist. Zunächst am Alten Markt gelegen, befinden sich „Antjes Moden“ seit 2001 in diesem Abschnitt der Fußgängerzone. Dort wird „sportlich-elegante Mode für die modebewusste Frau“ (Lutzke) angeboten. „Seit den nunmehr 14 Jahren erlebe ich, wie sich der obere Boulevard immer mehr zum Schlechteren entwickelt“, sagt die Geschäftsfrau im Gespräch mit der MZ. Am augenscheinlichsten werde dies am zunehmenden Leerstand von Geschäften. Mehrere attraktive Läden hätten in der jüngeren Vergangenheit aufgegeben. Vandalismus und Graffitischmierereien verschandelten die leeren Läden zusätzlich. „Der obere Boulevard war zu DDR-Zeiten top, war voller Menschen. Heute ist das ganz anders“, sagt Lutzke. Die Folge: „Meine Umsätze stagnieren. Ich kann meinen Kunden dankbar sein, dass sie noch zu mir kommen.“ Die selbst auch modebewusste Antje Lutzke beschäftigt eine Mitarbeiterin.
Neben der nachlassenden Kundenfrequenz macht die gebürtige Hallenserin auch die Stadt für den Niedergang verantwortlich, die zu wenig für eine Wiederbelebung des oberen Boulevards tue. „Ich wünschte mir beispielsweise, dass in der Winter- und in der Weihnachtszeit viel mehr für eine festliche Beleuchtung getan wird.“ Während der jüngsten Händelfestspiele hätten weder Fahnen noch Banner die Geschäftsstraße geschmückt, um auf das Musikspektakel hinzuweisen. Die einstige Interessengemeinschaft Oberer Boulevard (IG) sei bereits vor Jahren aufgegeben worden. „Und die Citygemeinschaft der Innenstadthändler konzentriert sich auf den unteren Boulevard und den Markt“, so Lutzke weiter. Es fehle ein zentrales Marketing für den oberen Boulevard.
In der Tat bietet der obere Boulevard ein tristes Bild: 18 der 63 Geschäfte stehen laut einer Zählung der MZ leer. Die Passantenfrequenz ist im Vergleich zum unteren Boulevard spürbar geringer. Besserung ist nicht in Sicht: An ein Aufleben der IG, bei der sich einst Vermieter, Händler und Stadt um eine Belebung des oberen Boulevards bemüht hatten, ist nicht zu denken. „Aktuell spielt das Thema bei uns keine Rolle“, sagt Steffen Schier, Sprecher der Halleschen Wohnungsgesellschaft HWG. Die HWG war als Eigentümer mehrerer Objekte am oberen Boulevard federführend in der IG.
Forderung nach Citymanager
Und der ehrenamtliche Citymanager der Citygemeinschaft, Wolfgang Fleischer, räumt ein, dass der obere Boulevard nicht unbedingt Priorität bei den Aktivitäten seines Vereins wie zum Beispiel der Organisation von Innenstadt-Events genieße. „Was wir machen, hat zwar Erfolg. Wir tun das aber ehrenamtlich und das reicht nicht, um die ganze Innenstadt voranzubringen“, so Fleischer. Deshalb fordere man seit langem die Einstellung eines hauptamtlichen Citymanagers.
Auf MZ-Anfrage gab sich die Stadtverwaltung in Bezug auf den oberen Boulevard dagegen hoffnungsvoll: „Für die Entwicklung der Innenstadt ergeben sich unter anderem durch das neue Finanzamt am Hallmarkt sowie die Belebung des Riebeckplatzes neue Impulse, insbesondere für die Leipziger Straße“, teilte Pressesprecher Drago Bock mit. Das Rathaus habe seine Aktivitäten zur Bestandspflege und Investorenakquise „deutlich verstärkt“. Bock lud Lutzke zu einem Gespräch mit der Chefin des städtischen Dienstleistungszentrums Wirtschaft und Wissenschaft, Petra Sachse, ein.
„Diese Einladung nehme ich gern an“, sagte Antje Lutzke. An einen Umzug weg vom Boulevard denke sie vorerst nicht. Ihr Geschäftsjubiläum will sie jetzt erst einmal mit ihren Kunden feiern: mit einem Sommerfest am Samstag von 10 bis 16 Uhr. (mz)