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Ein letzter Gruß an Alberich

Von PETER GODAZGAR 10.07.2009, 19:00

HALLE/MZ. - Alberich hängt ziemlich schief in seinem Stuhl. Atif Hussein nimmt den Kopf der Puppe und richtet ihn auf. Er hält kurz inne, dann greift er zart Alberichs herunterhängende Hand und legt sie der Figur in den Schoß.

Und Sie wollen uns weismachen, dass Sie Ihren Puppen nicht nachtrauern, Herr Hussein? "Ach, nee", sagt Atif Hussein erneut. "Ich weiß sie doch in guten Händen." Hussein meint die Hände der Schauspieler, die seine Puppen mit Leben erfüllen. Und die Menschen, die er in Halle kennen gelernt hat, die seien ihm doch noch ein deutliches Stück wichtiger als die Puppen, die er hier gebaut hat.

Acht Jahre war Hussein am Puppentheater, zuletzt als Leiter des Hauses. Nun verlässt er die Stadt - er wird im Januar die Leitung des Puppentheaters am Theater Plauen / Zwickau übernehmen. Auch dort gab es große Umbrüche; mit der neuen Spielzeit nimmt ein neuer Generalintendant das Heft in die Hand und holte viele neue Leute ins Boot. Seinen Hauptwohnort wird Hussein aber wieder nach Berlin verlegen. Dort, am Prenzlauer Berg, wurde Atif Hussein 1967 auch geboren.

Gab es eine Lieblingspuppe? Eine Lieblings-Inszenierung? Atif Hussein zögert erneut. Womöglich liegt es auch daran, dass er nicht nur auf seine Puppen reduziert werden möchte; schließlich studierte er an der Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch", spielte zeitweise 200 Vorstellungen im Jahr, arbeitete später auch als Bühnen- und Kostümbildner sowie als Regisseur.

Doch es sind natürlich seine Puppen, die stilprägend waren für das hallesche Theater: Die mit Leder überzogenen Gesichter, die die Puppen fast unheimlich lebendig erscheinen lassen. Die "Vierfüßer", die Hussein in Halle eingeführt hat - jene Puppen also, die von zwei Puppenspielern bewegt werden.

"Die Zeit in Halle war künstlerisch sehr erfolgreich", sagt Hussein. "Ich konnte enorm profitieren." Indes bestreitet er nicht: Vor allem am Ende gab es immer größere künstlerische Differenzen zwischen ihm und Kulturinsel-Intendant Christoph Werner.

Wie baut man eine Puppe? Die Ideen für die Figuren, sagt Hussein, entstehen zunächst stets im intensiven Dialog mit Regisseur und Dramaturg. Bis zu sechs Wochen baut Hussein an einer einzigen Figur, während der Proben kann es immer wieder zu Änderungen kommen - bis hin zu Frisur und Augenfarbe. Von der Vor-Recherche ist da noch gar nicht Rede. Nicht selten hat Hussein Anatomiebücher gewälzt - vor allem, wenn Tiere gebaut werden sollten.

Die Köpfe hat Hussein, der in Sachen Puppenbau ein reiner Autodidakt ist, in der Regel zunächst in Ton modelliert, dann bekam er über einen Gipsabdruck die Negativform, die wiederum mit Papier, Leinen, Baumwolle oder anderen Materialien kaschiert wurde. Am Ende stand der Überzug mit Leder - und zwar, das ist Husseins Spezialität, auf eine Weise, bei dem keinerlei Falten oder Schnitte entstehen oder nötig sind.

Und dann kommt der Moment, in dem er die Puppe loslässt, dem Puppenspieler überlässt. Dieser Augenblick, sagt Hussein, war "über alle Maßen beglückend". Er habe seine Puppen stets "mit großem Vertrauen aus der Hand gegeben". "Ich wusste ja immer, für wen ich sie baue."

Mehr als 100 sind es am Ende geworden. Einige Puppen werden noch zu sehen sein. Andere schlummern im Fundus. Wer sie gesehen hat, dem werden sie im Gedächtnis bleiben.