Ein Jahrhundertwerk Ein Jahrhundertwerk : Professor legt Buch über die Geschichte der Hochschule vor

Halle (Saale) - Die Universität Halle gilt heute als national und international renommierte Hochschule. Aber das war nicht immer so: „Die 1502 gegründete Wittenberger Universität war weltweit bekannt und eine der führenden Hochschulen in Europa. Halle erhielt erst später Bedeutung“, sagt der emeritierte Hochschulprofessor Heiner Lück. Der Rechtshistoriker hat jetzt nach Jahrzehnten der Forschung ein Buch über die Geschichte der Universität Wittenberg vorgelegt, das am Mittwoch erschienen ist.
Erst 1817 verfügte der preußische König den Zusammenschluss der Hochschulen in Halle und Wittenberg, wie er sich heute noch im Namen der Universität wiederfindet. Entstanden ist ein spannend zu lesendes Buch mit 250 Abbildungen, das mitnichten nur für Uniangehörige interessant ist. „Das Buch ist für jedermann geschrieben und zeigt die kulturgeschichtliche Entwicklung der Universität auf“, betont der 66-jährige Wissenschaftler, der seit vorigem Jahr im Ruhestand ist.
Erzählt wird die Entwicklung der einzelnen Fakultäten
Erzählt wird die Entwicklung der einzelnen Fakultäten, zu deren berühmtesten Professoren wohl Martin Luther und Philipp Melanchton zählten. Beispiel Medizin: Woher die Leichen für die anatomischen Studien kamen, war bislang nicht erforscht. Heiner Lück hat in den Archiven die Antwort erhalten: „Bis in das 16. Jahrhundert gab es keine Regelungen dazu.
Es lag am Verhandlungsgeschick der Anatomen mit den Richtern, gleich nach einer Hinrichtung einen Leichnam zu bekommen“, so Lück. Die Professoren waren gerade an Hingerichteten interessiert, weil ihre Körper in der Regel gesund waren - im Gegensatz zu denen alter Menschen.
„Es war ein Kampf um die Mittel, so wie heute“
Beispiel Forschung: „Es war bisher kaum bekannt, welche Rolle die Experimentalforschung in der Lehre an der Universität Wittenberg gespielt hat“, sagt Lück. Für die Berufung von Professoren sei es ausschlaggebend gewesen, über welche physikalischen und astronomischen Geräte sie verfügten und damit auch die Lehre verbesserten.
„Es war ein Kampf um die Mittel, so wie heute“, zieht der Forscher eine Parallele. Auch dass sich der Wittenberger Philosoph Johann Herbinius schon im 17. Jahrhundert für das Frauenstudium eingesetzt hat und eine wissenschaftliche Tätigkeit von Frauen befürwortete, ist wohl weitgehend unbekannt.
Auf 368 Seiten hat Lück sein Wissen aufgeschrieben
Auf 368 Seiten hat Lück sein Wissen aufgeschrieben. Schon seit seiner Dissertation 1983, die als Thema die juristische Fakultät der Uni Wittenberg hatte, beschäftigt er sich mit der Historie der Hochschule. Und das aus gutem Grund: Vor mehr als 100 Jahren, 1917, erschien zuletzt eine Gesamtschau zur Geschichte der Alma mater in Wittenberg. Den Name „Leucorea“ erhielt die Hochschule von den Humanisten, die die Lehre beeinflussten: Abgeleitet ist er vom griechischen „leukos oros“, was „Weißer Berg“ in Anlehnung an den Stadtnamen Wittenberg bedeutet.
„In den früheren Forschungen standen oft Luther und Melanchthon im Mittelpunkt. Der Forschungsstand für das 17. und 18. Jahrhundert war dagegen dunkel“, erläutert Lück, der zuletzt 2017 mit der Veröffentlichung des Buchs zum Sachsenspiegel, dem wohl wichtigsten Buch der deutschen Rechtsgeschichte im Mittelalter, für Furore sorgte.
Jahrzehntelang durchforstete Lück das Uniarchiv Halle
Jahrzehntelang durchforstete Lück das Uniarchiv Halle, die Handschriften der Unibibliothek Halle, des Hauptstaatsarchivs Dresden und weitere Archive auf der Suche nach der Geschichte der Leucorea. Alleine 480 Titel alter Schriften aus den Jahren 1502 bis 1817 listet er im Anhang aus. Mehr als 30 Jahre Forschung legt Lück nun in dem Buch vor, das mit seinen zahlreichen Abbildungen nicht nur gut gestaltet ist, sondern genau deswegen auch sehr teuer geworden ist: 175 Euro kostet das aufwendige Buch. Lück hofft darauf, dass noch eine Studienausgabe erscheint, die preiswerter wird.
››Heiner Lück: Alma leucorea. Eine Geschichte der Universität Wittenberg 1502 bis 1817. Universitätsverlag Halle-Wittenberg, 2020. (mz)
