E-mail für Dich E-mail für Dich: Ihre Online-Liebe zerbrach, bevor sie doch ein Happy End fand

Halle (Saale) - Groß und schwer ist der graue Aktenordner, den Jana Krupik-Anacker vor sich auf den Tisch legt. Darin: ihre Liebesgeschichte auf zirka 400 Blatt Papier. Es sind ausgedruckte Mails, die sie und Henning Krupik-Anacker sich innerhalb eines Jahres geschrieben haben. Ob sie noch auf Anhieb sagen kann, wer den ersten Schritt gemacht und die erste Nachricht gesendet hat? „Das war mein Mann“, sagt die 44-Jährige und strahlt.
Vor 15 Jahren, im August 2002, ploppt Jana Krupik-Anackers Profil erstmals auf der Internetseite des Frauenmagazins Amica auf. Ohne Foto, dafür mit ihrem Namen, Wohnort, Beruf und Stichpunkten zu ihren Hobbys. Die Hallenserin, die freiberuflich für eine medizinische Fachzeitschrift arbeitet, ist damals frisch getrennt. Und eigentlich gar nicht auf der Suche nach einer neuen Liebe. Zwei Azubis, die mit ihr zusammen gearbeitet haben, hätten sie angemeldet. „Die Mädels wollten nicht, dass ich alleine bin.“ Wenig später erhält sie die erste Mail - eine Nachricht „aus der Singlebox“.
Ehepaar aus Halle: Sechs Tage bis zur Antwort
„Hallo Jana, ich habe mich heute angemeldet und gleich auf die Suche begeben“, schreibt Henning aus Halle. Er sei IT-Spezialist einer Beratungsfirma und fände es toll, dass die damals 29-Jährige Klassik höre. „Ich würde mich freuen, wenn du dich bei mir meldest“, lautet der letzte Satz seiner ersten Nachricht. Und das tat die Hallenserin. Wenn auch erst sechs Tage später.
2002, sagt Krupik-Anacker, wäre Online-Dating noch ziemlich neu gewesen. Websites, die sich einzig auf die virtuelle Partnersuche spezialisiert hatten, hätte es im Gegensatz zu heute kaum gegeben. Laut der Studie „Der Online-Dating-Markt 2015/2016“ von singleboersen-vergleich.de waren 2003 monatlich rund 3,5 Millionen aktive Nutzer auf den Portalen unterwegs, das sind Personen, die sich regelmäßig einloggen.
Zum Vergleich: 2015 sind es bereits mehr als acht Millionen. Demgegenüber stehen im gleichen Zeitraum rund 118 Millionen registrierte Mitglieder zu Buche. Die große Differenz ergibt sich, weil sich viele Menschen bei mehreren Portalen gleichzeitig registrieren. Allerdings melden sich die wenigsten wieder ab, wenn sie die Plattformen nicht mehr aktiv nutzen. Dadurch schnellte die Zahl der Mitgliedschaften in solch astronomische Höhen: 2003 lag sie noch bei gerade einmal 9,7 Millionen.
Online-Partnerbörse: Die Freunde waren skeptisch
Auch Amica, die Internetseite auf der sich die Hallenser Jana und Henning 2002 kennenlernten, war keine klassische Partnerbörse. Mitglieder hatten dort allerdings die Möglichkeit, eigene Profile anzulegen und sich untereinander zu kontaktieren. Auch deshalb hätten Krupik-Anackers Freunde wohl sehr skeptisch reagiert, als sie ihnen von ihrer Bekanntschaft aus dem Internet erzählte. „Die meisten kannten das Konzept Online-Partnerbörse noch nicht und rieten mir dazu, vorsichtig zu sein“, sagt die Hallenserin.
Sie selbst habe allerdings keine Zweifel an den guten Absichten Hennings gehegt. „Er war mir von der ersten Nachricht an sympathisch.“
Schon nach wenigen Tagen tauschen die virtuellen Bekannten damals deshalb ihre Mail-Adressen aus, innerhalb weniger Wochen schreiben sie mehr als hundert Nachrichten. Darin unterhalten sie sich über ihren Alltag und darüber, was sie in ihrer Freizeit unternehmen, oder lassen Dampf ab, wenn es im Büro mal wieder stressig ist. Mit jeder Mail werden die Texte länger, die Themen persönlicher.
Henning nennt Jana schon bald seinen „Sonnenschein“. „Auch wenn es kitschig klingt: Ich hatte schnell das Gefühl, als würden wir uns schon lange kennen“, sagt der IT-Spezialist. Also fragt er sie, ob sie ihn auch im realen Leben kennenlernen möchte. An einem Freitag den 13., knapp einen Monat nach ihrem ersten Online-Kontakt, treffen sie sich schließlich zum ersten Mal.
Online-Liebesgeschichte: Das erste Treffen
Das Kuriose daran: Keiner von beiden wusste zu diesem Zeitpunkt, wie der andere aussieht. Denn weder Henning noch Jana hatten zuvor daran gedacht, Fotos auszutauschen. „Er musste mich anrufen, damit wir uns im nt-Café in Halle überhaupt finden“, sagt die 44-Jährige und lacht. Ob die Vorstellung vom jeweils anderen der Realität entsprach? Henning verneint. „Jana sah anders aus, als ich sie mir vorgestellt habe. Aber letzten Endes war es die Frau, mit der ich mich geschrieben habe“, sagt der IT-Spezialist. Jana wiederum kann sich an den ersten Eindruck, den sie von ihrem späteren Ehemann hatte, überhaupt nicht mehr erinnern: „Ich war viel zu aufgeregt.“
Schließlich knüpfen die beiden thematisch nahtlos dort an, wo sie in ihren Mails aufgehört haben. Kein peinliches Schweigen, kein Unbehagen - die Atmosphäre sei völlig locker gewesen. Am Ende des Abends bringt Henning die damals 29-Jährige sogar nach Hause. „Von da an waren wir eigentlich zusammen.“
Online-Liebe mit Hindernissen: Beziehung zerbrach
Die Liebesgeschichte der Pioniere des digitalen Anbandelns könnte an dieser Stelle vorbei sein. Doch die Beziehung hält nur wenige Monate. Bereits Ende des selben Jahres trennen sich ihre Wege wieder. Vorerst. „Ich war noch nicht bereit, das Scheitern meiner letzten Beziehung zu frisch“, sagt die freiberufliche Journalistin. Das ehemalige Paar hält nichtsdestotrotz Kontakt - natürlich per Mail.
Laut der Studie über den Online-Dating-Markt ist das kein Einzelfall. Demnach entsteht derzeit unter allen Internetnutzern rund jede dritte neue Partnerschaft online. Diese blieben allerdings nicht länger bestehen als klassische „Offline-Beziehungen“. Soziologen sagen, dass ein Paar, das sich online gefunden hat, durch die Begegnung im Digitalen nicht stabiler oder instabiler ist. Entscheidend seien vielmehr die klassischen Indikatoren wie Alter, Lebensstil, Körpergröße oder geografische Nähe.
Online-Liebe zwei Hallenser: Henning blieb hartnäckig
Nach vier Jahren kreuzen sich die Wege des IT-Experten und der Redakteurin schließlich wieder und sie finden endgültig zueinander. Ihr späterer Ehemann sei hartnäckig geblieben, sagt die 44-Jährige. So lange, bis auch sie eingesehen habe, dass er der Beste für sie sei. Henning wiederum hat in der Zeit ihrer Trennung zu schätzen gelernt, „dass sie mich rausholt aus dem Alltagstrott“. Weitere vier Jahre später geben sie sich das Ja-Wort. Am 14. August 2010 - auf den Tag genau acht Jahre nachdem Jana die erste Nachricht des Hallensers erhalten hatte.
Wenn es um den ersten Kontakt im Internet geht, gibt es Geschichten, die weit mehr aus dem Rahmen fallen als die der Krupik-Anackers. Zum Beispiel das erste Treffen zwischen Steffi (25) und Dennis Henning (34) aus Halle und wie es dazu kam. Denn was diese Eheleute zusammenbrachte, war keine Dating-Website sondern eine Internet-Plattform, auf der kostenlose Anzeigen geschaltet werden können: Ebay-Kleinanzeigen.
2010 hatte Steffi Henning dort eine alte Schlafcouch zum Verkauf angeboten. Vom Erlös wollte sie sich endlich ein „bequemes Bett“ anschaffen. Doch statt eines potenziellen Käufers, fand sie online ihren zukünftigen Ehemann.
Der hatte zuerst tatsächlich nur Interesse an ihrer Schlafcouch. Zumindest so lange, bis beide begannen, sich regelmäßig wegen eines Besichtigungstermins zu schreiben. „Als er dann zum ersten Mal vorbei kam, ging es eigentlich schon gar nicht mehr um die Couch“, sagt die 25-Jährige und lacht. Sie befand sich damals zwar noch in einer Partnerschaft, beendete diese aber wenige Wochen nach dem ersten Treffen mit Dennis. Sieben Jahre später heirateten beide.
Ihre Geschichte: Eine Erfolgsstory über das Kennenlernen auf Dating-Plattformen. Mittlerweile gibt es sie tausendfach. Das Vorurteil, im Netz würden sich vor allem Verrückte herumtreiben und Online-Bekanntschaften seien mit Vorsicht zu genießen, gehört längst der Vergangenheit an. Dazu passt auch der „Tag der virtuellen Liebe“ am 24. Juli.
Initiiert wurde er erstmals im Jahr 2001 von Online-Partnerbörsen. Die Idee: An diesem Tag sollen sich Paare, die sich über das Internet kennengelernt haben, offensiv dazu bekennen, statt eine Geschichte darüber außerhalb des Webs zu erfinden. Ohnehin gehen die meisten Menschen inzwischen sehr offen damit um. Auch Jana und Henning Krupik-Anacker machen aus ihrem Kennenlernen im Internet kein Hehl: „Es ist doch eine schöne Geschichte, wieso sollen wir die verschweigen?“ (mz)