Drei Jahre "Schilderguerilla" in Halle Drei Jahre "Schilderguerilla" in Halle: Ist das Kunst oder Sachbeschädigung?

Halle (Saale) - Alles begann vor drei Jahren mit einem Kreuz aus Möbel-Klebefolie und einem Baustellenschild. Oder besser: vielen Baustellenschildern. Im Juli 2016 wurde in Halle an so vielen Stellen gleichzeitig die Straße aufgerissen, dass der Verkehr zeitweise zum Erliegen kam. Das war die Geburtsstunde der „Schilderguerilla“, die Verkehrszeichen seitdem mit schwarzen Aufklebern „verziert“.
Schilderguerilla: Nicht nur Bauschilder, auch Mülleimer und Ampel werden bemalt
„Im Baustellenjahr 2016, als man kaum von A nach B fahren konnte, ohne nicht mindestens fünf Baustellen und vier Staus hinter sich zu lassen, entstand die Idee, den geplagten Autofahrern mit lustig gestalteten Verkehrszeichen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern und den Verkehrsalltag etwas erträglicher zu machen“, sagt der unbekannte Mann hinter der Aktion. Bis heute weiß nur eine Handvoll Leute, wer er ist.
Erst waren nur die Bauarbeiter-Piktogramme auf den Schildern betroffen. Mal steckte ein Kreuz im stilisierten Sandhaufen, mal schaute ein Maulwurf aus dem Hügel. Doch schon bald widmete sich die Schilderguerilla auch anderen Verkehrszeichen, selbst Ampeln und Mülleimern verzierte sie mit Kulleraugen und Smileys. Es entstanden Arme, die aus Einbahnstraßen-Zeichen herausschauten oder Gesichter auf Halteverbots-Zeichen. Aber auch Wanderer auf „Durchgang-Verboten“-, die heiligen drei Könige auf Zebrastreifen-Schildern und Kinder mit Luftballons auf einem Fußweg-Zeichen gab es. Auch die Schnecken auf Briefkästen, die im ganzen Stadtgebiet zu sehen sind, stammen von der Guerilla. Alles selbst gebastelt, aus schwarzer und weißer Klebefolie.
Schilderguerilla: Stopp-Schilder sind ein No-Go
Darauf legt der Künstler Wert. „Die Motive sollen schließlich Freude verbreiten und keine Schäden am Schild oder Kosten im städtischen Haushalt verursachen. Das Abziehen der Kleber geht in der Regel schneller als das Bekleben durch mich“, sagt er. „Entgegen anderer Behauptungen der Stadtverwaltung müssen die Schilder weder entfernt noch aufwendig gereinigt werden.“ Bei einer Sache aber versteht selbst der Künstler keinen Spaß: Stopp-Schilder. „Das ist für mich nach wie vor ein No-Go. Es sollte ohne Wenn und Aber in seinem Ursprungszustand bleiben.“ Gefährden will er Autofahrer schließlich nicht.
Dennoch fürchtet er, wenn er erwischt würde, könnte die Stadt ihn kräftig zur Kasse bitten. „Als die Aktion neu war, hätte ich das ein oder andere Motiv auch in der Innenstadt anbringen können. Aus Sicherheitsgründen meide ich aber mittlerweile diesen Bereich, weil die Gefahr, erwischt zu werden, doch um einiges größer ist“, sagt der Unbekannte. Er könne nicht abschätzen, welche Strafe ihn aufgrund der Vielzahl an Schildern - über 900 seien es inzwischen - er warte.
Doch wer ist der Mann, der so vielen Autofahrern in Halle ein Lächeln ins Gesicht zaubert und die Stadtverwaltung zur Weißglut bringt? „Zu meiner Person kann ich aus Sicherheitsgründen leider immer noch nicht sehr viel verraten, auch wenn ich gerne öffentlich zu der Kunstaktion stehen würde“, sagt er. Er sei aber Mitte 30, arbeite im Handel und esse gerne Pizza - so viel dürfe er verraten. Er bedauere, dass die Stadt die beklebten Schilder nicht für touristische Zwecke nutze, wie etwa in Florenz, wo schon länger ein mittlerweile namentlich bekannter Künstler Verkehrszeichen beklebt. Mit seiner Aktion wird in der Stadt inzwischen geworben.
Stadt: Keine Kunst, sondern Sachbeschädigung
Doch danach sieht es in Halle nicht aus - ganz im Gegenteil. Tobias Teschner, Fachbereichsleiter Sicherheit, ist der Meinung: „Werden Verkehrszeichen durch Aufkleber verändert oder unkenntlich gemacht, handelt es sich um Sachbeschädigung und einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr.“ Bei der Entfernung der Kleber bestehe sehr wohl die Gefahr, dass die Schilder kaputt gingen.
Daher behalte sich die Stadt vor, Strafanzeige zu erstatten. Was dem Mann hinter der Aktion droht, will Teschner hingegen nicht erklären. Eine Amnestie werde man ihm jedenfalls nicht anbieten, denn die liege nicht im Ermessen der Stadt, sagt er, nicht ohne den Hinweis hinzuzufügen, dass Bürger „Beschädigungen“ an Schildern der Stadt melden könnten. Für die Schilderguerilla heißt es also weiterhin: kleben im Verborgenen. (mz)