Die Wut der Garagenbesitzer Die Wut der Garagenbesitzer: Lösen sich Gemeinschaften Ende 2019 bewusst auf?

Halle (Saale) - In der Pleißestraße trifft DDR-Geschichte auf die boomende Neuzeit. 349 Garagen, ab 1974 gebaut, befinden sich in dem Komplex der „Garageninteressengemeinschaft (GIG) Halle-Neustadt/Gimritzer Damm“. Direkter Nachbar ist einerseits der Sparkassen-Eisdom, der von einem Provisorium zu einer vollwertigen Arena ausgebaut werden soll.
Und auf der (noch) grünen Wiese südlich der Garagen will ein Investor aus Erfurt 440 Wohnungen bauen. „Der Stadt sind wir deshalb ein Dorn im Auge. Sie könnte das Grundstück mit unseren Garagen gut gebrauchen“, sagt Harry Kitzmann, Mitglied im Vereinsvorstand der GIG.
Garagen in Halle: Interesse von Investoren?
Wie bei allen anderen Garagengemeinschaften in der Neustadt, die in der DDR auf städtischem Boden errichtet worden sind, läuft auch für die GIG in der Pleißestraße Ende 2019 der Nutzungsvertrag mit der Stadt aus. Was kommt danach? „Wir hatten schon Ende 2018 der Stadt signalisiert, dass wir die Fläche gern kaufen würden. Doch es hieß, dass das nicht geht“, sagt Vorstandsmitglied Jan Rosenstein. Warum? Weil das Grundstück sowohl für den Investor aus Thüringen wie die Erweiterung des Eisdoms genutzt werden könnte?
„Der OB erzählt im Stadtrat nur die halbe Wahrheit. Und er spielt bewusst mit den Ängsten der älteren Garagennutzer“, kritisiert Rosenstein. Bernd Wiegand (parteilos) will die auslaufenden Altverträge einfach unbefristet weiterlaufen lassen, allerdings mit der Option, Verträge auch mit einer Dreimonats-Frist kündigen zu können.
Schuldrechtsanpassungsgesetz schützt noch die Interessen der Garagenbesitzer
Das Schuldrechtsanpassungsgesetz schützt noch die Interessen der Garagenbesitzer. Wiegand sagt, dass das Gesetz auch weiterhin gelte, wenn die Gemeinschaften auf seinen Vorschlag eingehen. Rosenstein widerspricht. Das Gesetz beziehe sich nur auf bestehende Verträge. Enden die Kontrakte, enden auch die Regelungen des Gesetzes.
Laut Rosenstein wird die Stadt in jedem Fall ab 1. Januar 2019 zum Besitzer der Garagen. Es sei denn, es werden Komplexe doch noch an die Gemeinschaften verkauft. Der Stadtrat hatte sich mehrheitlich dafür ausgesprochen, dass die Stadt den betroffenen Garagengemeinschaften neue Pachtverträge mit einer Laufzeit von bis zu 15 Jahren anbieten soll. Der OB lehnt das ab.
GIG: 20.000 Euro zahlt der Verein jährlich an die Stadt Halle
Der Stadt würden in 15 Jahren Kosten von rund 13 Millionen Euro entstehen - unter anderem für Reparaturen an den Garagen und spätere Abrisskosten, sollten die Anlagen aus welchen Gründen auch immer einmal nicht mehr benötigt werden. „In unserem Vertrag steht, dass wir uns um alle Betriebs- und Unterhaltskosten selbst kümmern. Die Stadt zahlt nichts“, sagt Manfred Kotzold, der ebenfalls in der GIG im Vorstand sitzt.
20.000 Euro zahlt der Verein jährlich an die Stadt, pflegt zudem die Hecke und übernimmt den Winterdienst in der Pleißestraße - ohne dafür einen Cent aus dem Ratshof zu sehen. Rosenstein spricht von einer Milchmädchen-Rechnung des OB. „Die Gemeinschaften sind juristische Personen. Sie müssten nur Insolvenz anmelden. Dann hat die Stadt wirklich alle Kosten an der Backe.“ Die Garagen seien alt, hätten Risse und undichte Dächer. „Der Verkehrswert liegt unter null“, sagt Rosenstein. Der Verein wolle die Schäden beheben, aber nicht mit einer derart ungewissen Zukunft vor Augen.
Garagen in Halle: Widerstand organisiert sich
Immerhin ist der Verein von der Stadt nun aufgefordert worden, ein Kaufangebot einzureichen - allerdings legt die Stadt den Verkehrswert des Grundstücks selbst fest. „Und somit wissen wir nicht, was uns erwartet.“ Rosenstein hat daher einen drastischen Vorschlag.
Sollte es bis Ende des Jahres keine Einigung geben, könnten sich die Vereine und Gemeinschaften auflösen. Dann hätte es die Stadt plötzlich mit 7.000 Personen zu tun und müsste jedem einzelnen Nutzer hinterherlaufen, um die Kosten für Miete und Strom einzutreiben. „Das wäre ein Riesenaufwand. Der OB sollte überlegen, ob er das will.“ (mz)