Die große Chronik des ganz normalen Wahnsinns
HALLE/MZ. - In der Tat: Wer sich davon überzeugen lassen will, wie aktuell ein zehn, zwanzig, dreißig Jahre altes Plakat sein kann, der hat nun Gelegenheit dazu. Im halleschen Volkspark an der Burgstraße wurde am Mittwochabend die Ausstellung "Frohe Zukunft" eröffnet. Zu sehen sind, natürlich, viele von Staecks teils fast schon berühmt-berüchtigten Plakaten, aber auch Fotografien und einige Objekte des 70-Jährigen, der seine Kindheit im "Luftkurort Bitterfeld" (Staeck) verbracht hat.
Veranstalter ist die Burg Giebichenstein; die Schau ist Teil der Reihe "Visiting Artists", mit der die Hochschule Künstler und deren Kunst mit Studenten zusammenbringen will. Burg-Rektor Ulrich Klieber freute sich denn auch, den prominenten Gast zur Vernissage begrüßen zu können.
Staeck selbst präsentierte sich zum Pressetermin geradezu mitreißend streitbar. Er geißelte skrupellose Banker und unkritische Medien. Seine Befürchtung: "Es geht alles weiter wie bisher." Aus der derzeitigen Krise würden die Armen ärmer und die Reichen reicher hervorgehen - eine neuerliche Zerreißprobe, die die Gesellschaft allerdings womöglich nicht aushalten werde, glaubt Staeck, der seit 2006 auch Präsident der Akademie der Künste in Berlin ist.
Unfassbar sei doch eigentlich, dass sich US-amerikanische Banker gerade erst 14 Milliarden Dollar an Boni zugeschoben hätten - eben jene Leute, die zuvor "das Ganze in den Sand gesetzt" hätten. Doch merkwürdig: Niemand rege sich richtig darüber auf. Staeck sieht einen Grund im Fernsehen: Das nämlich habe die "Maßstäbe abgeschafft". Was etwa solle man von einer Nachrichtensendung halten, in der erst ein Forscher vor dem Klimawandel warnt und gleich danach ein begeisterter Reporter über eine Wüstenrallye berichtet? "Wissen die noch, was sie da tun?", ärgert sich Staeck, dessen Plakate 41 mal auf juristischem Weg verboten werden sollten - immer erfolglos.
Und wie retten wir das Ganze? Staeck weiß es auch nicht. Die Situation sei deprimierend - "Sie sehen mich in ratloser Stimmung". Wie auch anders? "Selbst die Klügsten sind heute ratlos."
In der Ausstellung kontrastieren derweil Staecks Fotografien den großen Welt-Wahnsinn, den die Plakate thematisieren, mit dem Alltagswahnsinn. Staeck zeigte wunderbar groteske Momente, die er auf seinen Reisen - auch durch die damalige DDR - entdeckte: FDJ-Fähnchen in Klopapierrollen, das riesige Werbeplakat eines Einkaufszentrums vor einem braunen Acker. Der ganz normale Wahnsinn halt. Und Klaus Staeck schmunzelt: "Da kann ich mich immer wieder drüber freuen."