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Der Bäcker war einst Tischler

Von Claudia Crodel 10.01.2005, 17:28

Halle/MZ. - "Ich habe mir immer gesagt: Bäcker wirst du nie", sagt Jürgen Weidner. Seinem Vorsatz ist er viele Jahre treu geblieben. Doch seit Herbst ist der 42-Jährige Bäckermeister. Am Montag hat er die Bäckerei seiner 22 Jahre älteren Schwester übernommen und setzt damit die Familientradition fort.

Der Vater, Friedrich Weidner, kam 1952 mit seiner Familie von Querfurt nach Halle und eröffnete in der Seebener Straße eine Bäckerei. Jürgen Weidner war das jüngste von insgesamt fünf Kindern. Der große Bruder und die große Schwester traten in die Fußstapfen des Vaters. Nach dem frühen Tod des Bruders übernahm die Schwester, Karin Weigelt, den Betrieb. Sie hatte schon als Zehnjährige begeistert mit in der Backstube gestanden.

Der kleine Bruder indes erlernte das Tischlerhandwerk und war 23 Jahre in seinem Beruf tätig. Nach der Wende wechselten die Arbeitsstellen, er ging auf Montage in die alten Bundesländer. Trotzdem wurde er arbeitslos, und ein neuer Job als Tischler war schwer zu finden.

Zu dieser Zeit dachte Karin Weigelt, die als älteste der fünf Geschwister bereits die 60 überschritten hatte, intensiv über einen Nachfolger für ihre Bäckerei nach. Sie "überredete" den kleinen Bruder förmlich. Und Jürgen Weidner packte seine neue Aufgabe mit viel Elan an. Vor zwei Jahren stieg er nachträglich in den Meisterlehrgang ein. Morgens stand er in der Bäckerei und lernte von der Schwester. Viele der Arbeitstechniken waren ihm ja von Kindheit an vertraut, oft hatte er in der Backstube geholfen. Und Laden und Backstube lagen ohnehin genau unter seiner Wohnung.

Er lernte außerdem Fachtheorie und Betriebswirtschaft. "Es fiel mir nach so vielen Jahren anfangs sehr schwer, noch mal die Schulbank zu drücken", blickt er zurück. Doch die Anstrengung hat sich gelohnt, die Meisterprüfung bestand er mit bestem Ergebnis.

"Am liebsten backe ich Rührkuchen", meint Weidner. "Weil er den schon als Kind am liebsten aß", fügt die Schwester lachend hinzu. In den nächsten Wochen wird sich Karin Weigelt noch nicht aus der Bäckerei zurückziehen, sondern ihren Bruder tatkräftig unterstützen. Außerdem stehen Jürgen Weidner acht Angestellte zur Seite, die fast alle in der kleinen Bäckerei in der Seebener Straße gelernt haben, denn Karin Weigelt war viele Jahre lang auch Lehrausbilderin.