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Das tapfere Wunderkind Das tapfere Wunderkind: Wie der Verein "Miichen" todkranken Kindern hilft

Von Dirk Skrzypczak 01.06.2019, 10:00
Eine starke und bewundernswerte Familie: Die kleine Mia mit Mutter Luisa, Vater Felix und Hündin Nala.
Eine starke und bewundernswerte Familie: Die kleine Mia mit Mutter Luisa, Vater Felix und Hündin Nala. Silvio Kison

Halle (Saale) - Mia liegt auf dem Teppich und dreht sich wild und quietschend um die eigene Achse. Hündin Nala, die die Füße und Hände des Mädchens abbekommt, erträgt die Hiebe und schleckt das Gesicht der Vierjährigen ab. Was man nicht sieht: Mia ist todkrank. Durch einen Gendefekt kann ihr Körper den Eiweißbaustein Glycin nicht abbauen. Das führt zu einer Vergiftung des Hirnwassers. Die Krankheit, „Nichtketotische Hyperglycinämie“ (NKH), ist sehr selten und wenig erforscht. Ein Heilmittel existiert nicht.

Todkranke Mia: Eltern besitzen defektes Gen

„Mein Mann und ich tragen das defekte Gen in uns. Wir haben es Mia vererbt. Hätte einer von uns diesen Defekt nicht gehabt, hätte das gesunde Erbmaterial das kranke überlagert“, sagt Mutter Luisa Forker. Mit ihrem Ehemann Felix hat sie den Verein „Miichen“ gegründet. Er soll Eltern, deren Kinder ebenfalls eine Beeinträchtigung haben, Hilfestellungen geben. 25 Mitglieder hat der junge Verein, vor allem sind es Freunde und Familienangehörige der kleinen Mia.

„Als Mia geboren wurde, hatten uns die Ärzte gesagt, dass sie die ersten zehn Tage wohl nicht überstehen wird“, sagt Luisa Forker. Doch Mia, das Wunderkind, trotzt den Prognosen und kämpft um ihr Leben. Vier Wochen wird sie künstlich beatmet und über eine Magensonde ernährt. Dann zieht sie sich die Schläuche mit ihren winzigen Händen selbst aus dem Körper. „Für uns ist jeder Tag mit ihr wie ein Wunder. Anfangs waren wir verzweifelt. Warum musste es ausgerechnet uns treffen? Das war eine schwierige Zeit“, sagt Vater Felix.

Ein epileptischer Anfall kann den Tod bedeuten

Doch die Liebe zu ihrem Kind ist grenzenlos. „Mia spürt das und hat sich uns ausgesucht, hat eine Ärztin gesagt“, schildert die Mutter. Gemeinsam geben sich die Forkers Kraft. Mia kann weder sprechen noch stehen, laufen oder alleine sitzen. Ihre Bewegungen sind unkontrolliert. Ein Lächeln von ihr ist immer wieder ein Geschenk.

Die Eltern wollen ihr die Zeit, die ihr bleibt, so angenehm wie möglich gestalten. Wie lange sich ihr Körper gegen die Vergiftung wehren kann, weiß niemand. „Ein epileptischer Anfall kann ihren Tod bedeuten. Mit dieser Angst zu leben, ist so ziemlich das Schlimmste, was man als Eltern ertragen muss“, sagt die 25 Jahre alte Mutter.

Mia geht in eine integrative Kindertagesstätte, ist regelmäßig zur Therapie. Für ihre Tochter hat Luisa Forker auf ihr Lehramtsstudium verzichtet und stattdessen eine Ausbildung zur Kinderkrankenschwester begonnen. Ihr Mann Felix ist Polizist.

„Miichen“-Verein baut Hilfenetzwerk für Betroffene auf

Bei ihren Recherchen im Internet sind sie weltweit auf andere Familien gestoßen, deren Kinder ebenfalls an NKH leiden. Unlängst hat eine Familie aus dem Iran über Instagram Kontakt zu den Forkers und dem „Miichen“-Verein aufgenommen. „Wir tauschen unsere Erfahrungen aus und sprechen über alternative Behandlungsmöglichkeiten, um etwa den Krämpfen entgegenzuwirken“, sagt Luisa Forker. Das Problem: Auf den Kosten für Therapien, die nicht anerkannt sind, bleiben Eltern sitzen.

Am 1. Juni, zum Kindertag, wird der Verein am Eiseck im Böllberger Weg von 13 bis 18 Uhr einen Kinderflohmarkt veranstalten. Außerdem will der Eisdielen-Betreiber zehn Cent pro Kugel an den Verein spenden. Mit dem Geld will „Miichen“ die Eltern kranker Kinder unterstützen.

Und die Forkers? Trotz ihrer Gen-Defekte wünschen sie sich noch weitere Kinder. Die Gefahr, dass die Krankheit wie bei Mia ausbricht, liegt bei 1:4. „Wir wollen Mia nicht missen. Sie macht uns glücklich, spürt unsere Liebe. Wir leben viel bewusster, weil wir durch sie wissen, was wirklich im Leben zählt“, sagen sie. (mz)