1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. Carolin Kebekus im Steintor Halle: Carolin Kebekus im Steintor Halle: Der Schatz aus Köln-Ostheim

Carolin Kebekus im Steintor Halle Carolin Kebekus im Steintor Halle: Der Schatz aus Köln-Ostheim

Von Mike Händler 17.11.2014, 17:45
Carolin Kebekus
Carolin Kebekus dpa Lizenz

halle - Fette Beats dröhnen aus den Boxen, ein Countdown zählt herunter, eine Stimme kündigt im amerikanisch-deutschen Slang „Cärolin Kebekus“ an. In schwarzer Kleidung, mit großer Sonnenbrille, Basecap und Sneakern tanzt und rappt MC Carolin über die Bühne. Das vorwiegend junge Publikum im ausverkauften Steintor quittiert das mit lautem Jubel.

Carolin Kebekus bestreitet einen Abend ohne Tabus. Mit vollem Körpereinsatz, gewitzter Mimik und Stimmen-Modulation kommen die kleinen und die großen Leiden des Mädchens aus Köln-Ostheim unverblümt zur Sprache. Von der ersten Menstruation bis zum Cellulite-Alptraum erfahren die Zuschauer den Werdegang einer „Pussy“ aus den Wohnblocks der Domstadt. Mit Wörtern, die manch einem die Schamesröte ins Gesicht jagen könnten, spricht jugendlicher Zeitgeist aus der 34-Jährigen.

Frauen und Fußball? Das geht! Zumindest, wenn Kebekus entzückt über den Gewinn der Weltmeisterschaft in Brasilien redet. Mit „Schlaaand!“ und freudigen Pfiffen von den Rängen des Varietés kommt noch einmal WM-Feeling auf. Wäre da nicht ihr fleischgewordener Albtraum gewesen: Helene Fischer. Die Polonaise aller Nationalspieler mit der Schlager-Queen zu ihrer „Frisösen-Disko-Bumsmusik“ auf der Fanmeile in Berlin bleibe ihr ewiger Horror. Und als Kölnerin könne sie das dem „Poldi“ niemals verzeihen.

Das Aussehen der heutigen Männer lasse die Frau aktuell orientierungslos zurück, weiß die Comedian. Alle trügen Vollbärte. Da wüsste man gar nicht, welchen Typ man abends abschleppt: „Ist der Hipster oder Salafist? Will er einen Begehren oder Bekehren – sich Vereinigen oder mich Steinigen?“

Als Kind hatte es die Carolin offenbar nicht leicht. Da weiß sie dem feixenden Publikum manche Anekdote über Puppen oder Baumärkte zu erzählen. Im Ghetto Ostheim aufgewachsen sei sie und fragt gleich, wie denn Selbiges in Halle hieße. Man einigt sich auf Silberhöhe. Der Name regt sogleich die Fantasie der Künstlerin an. So könne doch kein Ghetto heißen, meint sie. Dort würde sie glatt ein Hotel buchen, bei einem Urlaub in der Saalestadt. Und irgendwie klänge das nach einem unveröffentlichten Karl-May-Band: „Der Schatz von der Silberhöhe“.

Sex ist Thema Nummer eins am Abend und erzeugt stets ausgelassene Heiterkeit im Publikum. Anmachsprüche im „Brüderle-Style“ kämen bei Kebekus gar nicht an, erzählt sie. „Alltags-Sexismus“ kenne sie zu genüge, ob im Hotelaufzug oder in sozialen Netzwerken, wo sie eindeutige Fotos bekäme: „Das ist nix Schönes - so rein ästhetisch.“ Frauen seien ja ohnehin benachteiligt, wenn es beispielsweise um das Wort „Masturbation“ ginge. Während Männer für ihr Pläsier „coole Ausdrücke“ hätten, klänge das so militärisch: „Haben sie heute schon ihre Ration wegmasturbiert? Jawohl, Herr Oberst!“.

Carolin Kebekus lese nachts die Frauenzeitschrift Brigitte, gesteht sie. Doch die dort apostrophierte Rolle der Frau schmecke ihr gar nicht. Essen dürfe man ohnehin nichts. Bei den klapperdürren Models frage sie sich: „Wo sind die Organe?“. Das weibliche Geschlecht stünde stets unter dem Zwang, ihren Körper zu verjüngen. Doch die Comedian sträubt sich vehement dagegen: „Cellulite sind eine Frage der Beleuchtung.“ Lange habe Kebekus dagegen angekämpft: „Zehn Jahre lang habe ich mir den Arsch gebürstet, dann habe ich einfach das Licht ausgemacht.“ In Würde altern wolle sie und „irgendwann ein Kissen nehmen und einfach nur aus dem Fenster gucken“. Doch bevor es soweit ist, erkämpft sich das hallesche Publikum von der Comedian mit tosenden Applaus, Pfiffen und Getrampel noch eine Zugabe. (mz)