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Boxen Boxen: Vom Ring noch einmal auf die Schulbank

Von PETRA SZAG 03.06.2011, 18:50

Halle (Saale)/MZ. - Wenn Oliver Güttel in die großen Kulleraugen seines kleinen Sohnes schaut, er den einjährigen Pepe knuddelt, badet oder füttert, dann wird ihm ganz warm ums Herz. Der harte Boxer hat sein Herz für Kinder entdeckt und praktisch als Nebeneffekt auch eine berufliche Perspektive. Der Profisportler sattelt um und beginnt im August seine Ausbildung zum Erzieher. "Das ist das Richtige für mich, ich bin mir ganz sicher", sagt der 26-Jährige.

Praktikum im Sportschul-Internat

Nicht nur Pepe hat ihn darauf gebracht. Gerade hat er ein zweiwöchiges Praktikum im Internat der halleschen Sportschule in Kröllwitz absolviert. Und zuvor war er in einem Leipziger Kindergarten. Güttel: "Es hat mir wahnsinnig Spaß gemacht. Die Kleinen hatten sofort Vertrauen zu mir."

Die Arbeit im Internat war für ihn ein ganz besonderes Erlebnis. Er selbst hat dort als Sportschüler von 1999 bis 2002 gewohnt. Während seiner Aktivenzeit als Amateurboxer hatte er hier ein Zimmer. Wie übrigens auch die frühere Union-Handballerin Vivien Walzel. Sie war schon damals seine Freundin, jetzt ist sie die Mutter von Pepe. "Ich kenne so ziemlich alle Tricks", erinnert sich Güttel an die Internatsjahre. Er weiß noch immer, wie man Erzieher überlistet. Nun, Jahre später, kehrte er als Praktikant zurück, war zwei Wochen lang Ansprechpartner für die jungen Athleten, schaute nach dem Rechten, kontrollierte die Einhaltung des Essen- und Schlafenszeiten, half bei den Hausaufgaben oder spielte Seelentröster.

"Die Jungs und Mädchen hatten einen guten Draht zu mir", erzählt Güttel. "Sicher half mir dabei, dass ich selbst bis vor kurzem Leistungssportler war." Obwohl im besten Boxeralter, hat der SES-Profi einen Schlussstrich gezogen und orientiert sich beruflich völlig neu. Nicht, weil die Erfolge ausblieben oder er keine Lust mehr hat. "Der Entschluss aufzuhören, ist mir sehr schwer gefallen. Aber ich hatte gesundheitliche Probleme und muss jetzt an meine Zukunft denken", verrät der frühere Juniorenweltmeister. Die Augen spielten nicht mehr mit.

Plötzlich kommen Doppelbilder

2008 hatte er erstmals Doppelbilder gesehen, doch die Warnsignale ignoriert. "Ich habe gedacht, das geht einfach wieder weg, so wie es gekommen ist." Im Ring konnte er die Probleme irgendwann nicht mehr überspielen. Eine Operation brachte nur zum Teil Besserung. Mit verkürzten seitlichen Augenmuskeln ist Güttel zwar tauglich für den Alltag, nicht aber für Ring-Schlachten. Deshalb wurde der einstige Weltergewichtler am Rande des WM-Kampfes seines Trainingsgefährten Robert Stieglitz gegen Khoren Gevor vor Tausenden Zuschauern verabschiedet. "Das ging unter die Haut. Ich hatte Tränen in den Augen", erzählt Güttel.

Projekt Boxen gegen Gewalt

Die Idee, "beruflich irgendetwas mit Kindern zu machen", hatte der gelernte Tischler erstmals während seiner Aktivenzeit. "Ich habe mich in Magdeburg beim Projekt Boxen gegen Gewalt engagiert und des öfteren mit Kindern trainiert. Das gefiel mir gut und den Kindern offenbar auch", sagt Güttel. Über seine Versicherung wurde nun der Ausbildungsplatz vermittelt. In Leipzig, wo er mittlerweile mit seiner Familie zu Hause ist. Dort absolviert er gerade einen Lehrgang, um noch einmal sein Schulwissen aufzufrischen. Ab August wird es ernst. Der junge Vater schaut auf Sprößling Pepe. Er ist sich sicher, alles richtig gemacht zu haben.