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Billige Arbeitskraft Billige Arbeitskraft: Medizinstudenten rebellieren gegen Vollzeitjob für 300 Euro

Von Oliver Müller-Lorey 12.04.2019, 05:00
Medizinstudenten bekommen in ihrem praktischen Jahr kaum Geld für ihre Arbeit.
Medizinstudenten bekommen in ihrem praktischen Jahr kaum Geld für ihre Arbeit. DPA

Halle (Saale) - Kaum ein Beruf bringt so viel Verantwortung mit sich wie der eines Arztes. Umso wichtiger ist die Ausbildung - in der Regel ein fünfjähriges Studium mit einem anschließenden sogenannten „Praktischen Jahr“ (PJ), das mit einem Referendariat bei Juristen und Lehrern vergleichbar ist. Die Studenten arbeiten oft Vollzeit in einem Krankenhaus mit, helfen vor allem im OP und sollen sich so ihr Handwerkszeug aneignen.

Billige Arbeitskraft: Medizinstudenten in Halle rebellieren 

Das Problem: Immer wieder gibt es Berichte, wonach Krankenhäuser die angehenden Ärzte als billige Hilfskräfte missbrauchen und ihnen kaum etwas beibringen - bei einer mickrigen Bezahlung.

Auch in Halle begehren Studenten gegen diese Praxis nun auf und unterstützen eine Petition „Für ein faires PJ“, die von der Bundesvertretung des Medizinstudierenden in Deutschland (BVMD) initiiert wurde. Unterstützung erhalten sie vom Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS), dem CDU-nahen Studentenverband.

Ein zentrales Problem ist die Bezahlung. Oft haben Medizinstudenten außerdem keinen eigenen Arbeitsplatz und keine Login-Daten. Außerdem werden Krankheitstage mancherorts als Urlaubstage abgezogen“, sagt Friedrich Lembert, Landesvorsitzender des RCDS. Sophie Schwannecke, die ebenfalls im RCDS aktiv ist und Medizin studiert, sagt: „Es kommt stark darauf an, wo man ist. Man wird gerne mal als Blutabnahme-Dienst von Station zu Station geschickt.“

Vollzeitjob für 300 Euro im Monat

300 Euro pro Monat erhält, wer im Unimedizin-Verband Halle sein PJ absolviert. Zu ihm gehören neben der Uniklinik auch das Bergmannstrost, das Elisabethkrankenhaus, die Diakonie sowie zahlreiche Kliniken im südlichen Sachsen-Anhalt. Wer vor dem PJ bereits als wissenschaftliche Hilfskraft gearbeitet hat, bekommt noch einmal 100 Euro drauf, bestätigt Jens Müller, Sprecher des Uniklinikums.

Wie wenig Geld das ist, hat Marie Kriegeskorte selbst erlebt. Die 27-Jährige ist gerade mit ihrem PJ fertig geworden. „Das wenige Geld bekommt man mit der Begründung, dass man es ja auch schon geschafft hat, das Studium zu finanzieren“, sagt sie.

Doch im Praktischen Jahr habe man neben der Arbeit im Krankenhaus und dem Lernen kaum noch Zeit für einen Nebenjob. Trotzdem sind nach Angaben der BVMD rund 30 Prozent darauf angewiesen. Und eigentlich freie Lern-Tage, die außerhalb der Klinik verbracht werden sollten, würden allzu oft nicht gewährt.

Kritik nicht nur an der Bezahlung

Die Bezahlung ist nicht das einzige, was Kriegeskorte stört. Die Qualität der Lehre sei sehr unterschiedlich gewesen. Jede Woche habe es einen anderthalbstündigen Vortrag eines Arztes für die Studenten gegeben. „Der war mal mehr, mal weniger gut. Mal haben sich die Ärzte Mühe gegeben, mal einfach nur stumpf etwas heruntergebetet.“

Das liege ihrer Meinung nach daran, dass die Mediziner ihre tägliche Arbeit erledigen und die Zeit der Lehre hinten dranhängen müssten. Oft werde nach dem

bei Medizinstudenten bekannten Prinzip „See one, do one, teach one“ gearbeitet. Zu Deutsch: Schau bei einem Patienten zu, lege danach bei einem selbst Hand an und unterrichte dann die anderen Studenten. Auf die Qualität der Lehre habe das mitunter negative Auswirkungen.

Kriegeskorte arbeitete in ihrem PJ auch in Südtirol sowie in Malaysia und vier Monate in Halle. „In Malaysia gab es zwar keine Bezahlung, aber die Studenten waren deutlich besser ausgebildet. Ich habe mich gegenüber ihnen fast geschämt, dass ich noch nicht so viel konnte“, sagt sie.

Qualität der akademischen Lehrkrankenhäuser wird anhand von Kriterenkatalog überprüft

Immerhin: Im Bergmannstrost, wo sie während des PJ in der Plastischen Chirurgie gearbeitet habe, sei sie mit Respekt behandelt worden. Außerdem biete die Uni mit ihrem „Skills Lab“, einem Ausbildungszentrum an der Magdeburger Straße, inzwischen deutlich bessere Möglichkeiten.

Indes betont Müller, man überprüfe die Qualität der akademischen Lehrkrankenhäuser anhand von Vorgaben der ärztlichen Approbationsordnung sowie eines bundesweiten Kriterienkatalogs. „Dass es durch temporären Personalmangel und unbesetzte Stellen zeitweise zu Engpässen kommen kann und die Ausbildungsqualität darunter leidet, ist leider nicht ganz auszuschließen.“ Zur Gewährleistung der Qualität habe jeder Student ein „PJ-Logbuch“, in dem alle Ausbildungselemente abgezeichnet werden müssten. (mz)