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Bienen-Sommer Bienen-Sommer: Immer mehr Hallenser halten eigene Völker

Von Oliver Müller-Lorey 07.06.2016, 04:00
Einsatz in der Ludwig-Wucherer-Straße: In einem Baum hat sich ein Bienenschwarm niedergelassen.
Einsatz in der Ludwig-Wucherer-Straße: In einem Baum hat sich ein Bienenschwarm niedergelassen. Oliver Müller-Lorey

Halle (Saale) - Für Passanten ist es eine Attraktion, für Gabriele Huber-Schabel mittlerweile Routine. Schon wieder muss sie ein ausgebüxtes Bienenvolk einsammeln, das sich an einem Baum festgesetzt hat. Diesmal in der Ludwig-Wucherer-Straße. Seit einigen Wochen ist sie quasi im Dauereinsatz. Die Hobbyimkerin steigt neben einem Feuerwehrmann auf die Drehleiter und fährt hoch in Richtung Baumkrone.

Mit beiden Händen hält sie eine Kiste aus Sperrholz, die sich farblich kaum von ihrem Overall und ihrem Imkerhut mit Stechschutz unterscheidet. Mit einem Handgriff schneidet sie den Ast, an dem sich das Bienenvolk festhält, ab und lässt ihn in die Kiste fallen. Deckel drauf, Kiste ins Auto und fertig ist der Einsatz.

Es war der 26. allein in diesem Jahr. „Im ganzen letzten Jahr waren es nur 37 Bienenvölker“, sagt Gabriele Huber-Schabel. „2016 sind es extrem viele.“ Manchmal muss die Bienenfreundin, die auch Vorsitzende des Halleschen Imkervereins ist, an mehreren Tagen hintereinander losfahren und verirrte Völker einsammeln. Warum sich die Einsätze häufen, dafür hat sie eine Erklärung. „Das liegt daran, dass immer mehr Bienen in der Stadt gehalten werden“, sagt sie.

Ein Trend

Das sieht auch die hallesche Amtstierärztin Uta Schwarzer so. „Es gibt einen Trend, dass in den letzten fünf bis zehn Jahren in urbanen Regionen mehr Bienen gehalten werden“, sagt sie. In Halle, das als grüne Stadt viel Platz für Bienen biete, liege das unter anderem an dem sehr aktiven Imkerverein. „Noch vor zehn Jahren gab es einen akuten Nachwuchsmangel, jetzt ist das Imkern populär geworden“, so die Expertin. Ein Problem sei das nicht - ganz im Gegenteil. Zu viele Bienen könne es eigentlich nicht geben. Für die Natur seien die Tiere, die die Pflanzen bestäuben, immens wichtig.

Aber je mehr Bienen gehalten werden, desto häufiger tauchen sie eben auch im öffentlichen Raum auf. Denn wer ein Volk hat, hat bald auch ein zweites - von ganz allein. Im Frühjahr will sich das Volk nämlich vermehren und brütet eine neue Königin aus. Kurz bevor die schlüpft, verlässt die alte Königin mit etwa der Hälfte des Volks ihr bisheriges Zuhause und sucht nach einem neuen Ort um dort zu leben.

„Am besten geeignet ist ein hohler Baum mit etwa 40 Litern Rauminhalt“, sagt Huber-Schabel. „Aber davon gibt es natürlich wenige in der Stadt, und die Bienen weichen aus auf Schornsteine oder eben Bäume.“ Das kann sowohl für Allergiker, die gestochen werden, aber besonders für die Bienen selbst gefährlich sein. Denn bei einer Temperatur unter zwölf Grad sterben sie. Außerdem bietet ein Baum wenig Schutz vor Gewittern, Regen und Sturm.

95 Personen registriert

Zur Zeit sind in Halle 95 Personen registriert, die ein oder mehrere Völker besitzen. „Darunter sind sehr viele Hobby-Imker, die nur wenige Völker halten. Es gibt aber auch Berufsimker, die zum Teil mehr als 100 Völker besitzen“, sagt der amtliche Tierarzt, Steffen Heinritz. Einen Sachkundenachweis oder verpflichtende Kurse gibt es für Imker nicht. Theoretisch darf jeder Bienen halten.

Im Bürgerlichen Gesetzbuchfindet sich ein sehr altes und sehr kurioses Gesetz, das nicht nur unter Jura-Studenten als beliebte Anekdote weitererzählt wird. Hier zwei Ausschnitte:

§ 961: Zieht ein Bienenschwarm aus, so wird er herrenlos, wenn nicht der Eigentümer ihn unverzüglich verfolgt oder wenn der Eigentümer die Verfolgung aufgibt.

§ 962: Der Eigentümer des Bienenschwarms darf bei der Verfolgung fremde Grundstücke betreten. Ist der Schwarm in eine fremde nicht besetzte Bienenwohnung eingezogen, so darf der Eigentümer des Schwarmes zum Zwecke des Einfangens die Wohnung öffnen und die Waben herausnehmen oder herausbrechen. Er hat den entstehenden Schaden zu ersetzen. (oml)

Doch Tierärzte wie Uta Schwarzer und Steffen Heinritz empfehlen auf jeden Fall, sich vor der Übernahme eines Volkes gut zu informieren. „Wer Verantwortung für Tiere übernimmt, sollte diese auch wahrnehmen“, sagt Schwarzer. Außerdem müssen Imker dafür Sorge tragen, dass niemand durch die Tiere gefährdet wird und in der Nähe von Bienenstöcken Warnschilder aufstellen.

Die Einsätze werden sich für Hobby-Imkerin Huber-Schabel in Zukunft also eher weiter häufen. Wann immer es geht, sammelt sie die ausgebüxten Bienen ein und bringt sie erst einmal neben ihren 20 eigenen Völkern in Sicherheit. Rechtlich ist sie damit auf der sicheren Seite. Ein altes und reichlich kurioses Gesetz besagt, dass ein Bienenschwarm demjenigen gehört, der ihn einfängt. Gabriele Huber-Schabel wünscht sich aber, dass die Imker das Schwärmen ihrer Völker möglichst verhindern und den Tieren somit viel Stress ersparen. (mz)