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Berühmte Zaunfahne Berühmte Zaunfahne: Auch zur WM heißt es wieder "Halle/S." in den Stadien

Von Steffen Könau 10.06.2018, 10:00
Heimatbesuch: Die Halle/S.-Fahne hängt am Giebichenstein.
Heimatbesuch: Die Halle/S.-Fahne hängt am Giebichenstein. Rebecca May

Halle (Saale) - Am Anfang war es noch einfach. WM 2006, Sommermärchen in Deutschland! Tobias Möhring und sein Freund Steffen Melzer beschlossen, mitzufeiern - auf ihre ganz eigene Art.

Schon fast zehn Jahre lang waren die beiden Ex-Hallenser mit der deutschen Fußballnationalmannschaft unterwegs. Mit dabei hatten sie stets ein großes Transparent, auf dem Weiß auf Schwarz ein Gruß aus Halle an die Welt stand: „Halle/S.“

Mehr nicht. Zur Feier der Heim-WM nähte Möhrings Oma dann ein neues Banner, diesmal Schwarz auf Weiß. Das sei besser zu sehen, sagt der heute 38-jährige Möhring, der in Berlin geboren wurde, als Kind mit seiner Familie nach Halle zog und im HFC-Nachwuchs Fußball spielte.

2006 wurde die Halle/S.-Fahne weltberühmt

Es dauerte nicht allzulange, da fiel die rätselhafte Fahne Stammzuschauern der Spiele der DFB-Auswahl auf. Im Halbfinale der WM 2006, als Torwart Jens Lehmann mit dem Zettel im Handschuh den 5:3-Sieg der Deutschen im Elfmeterschießen festhielt, war die Fahne dann eine Viertelstunde lang im Bild.

Der Kinofilm „Ein Sommermärchen“ verwandelte den Auftritt in eine Legende: Halle grüßte beim größten Sportereignis der Welt eine Milliarde Zuschauer. Unbezahlbar.

Initiatoren der Zaunfahne wollen anonym bleiben

Aber für Tobias Möhring und Steffen Melzer noch lange kein Grund, ihre Pseudonyme abzulegen. Möhring, der Fan des 1. FC Union Berlin ist, wenn er nicht gerade der Nationalmannschaft hinterherreist, verweist auf seine Familie, die immer noch in Halle wohnt.

Seine Mutter sei schon stolz auf ihn, aber „es gibt auch Leute, die finden das eben nicht gut“, sagt er. Zudem komme es überhaupt nicht auf ihn und seinen Langzeitbegleiter an. „Wir sind nur Fußball-Fans, die eine Fahne haben.“

Wäre es so einfach, hätte die Fahne allerdings wohl nicht die Fähigkeit, Fußballfans aus der Region bei DFB-Spielen nicht zuerst nach der aktuellen Aufstellung des Löw-Teams, sondern nach dem Platz an der Bande suchen zu lassen, den Melzer und Möhring diesmal für ihr Stück Stoff erobert haben.

Die Fahnenplätze bei Länderspielen sind heiß begehrt

Ein Kampf, der bei jedem Spiel neu ausgefochten werden muss, denn gerade unter den deutschen Fans hat das Beispiel der traditionellen Vielfahrer, die seit Jahrzehnten alle Heim- und Auswärtsspiele der DFB-Kicker mitmachen, eine Welle ausgelöst, die zum Trend geworden ist.

Wo Deutschland spielt, hängen heute hunderte Zaunfahnen. Die „Fahnenmafia“, wie sich der harte Kern nennt, zu dem auch die beiden Ex-Hallenser mit der Halle/S.-Fahne gehören, hat zahllose Nachahmer gefunden, die mit eigenen Bannern versuchen, ein wenig von der weltweiten Aufmerksamkeit, die der große Fußball generiert, auf ihre Heimatstädte oder Dörfer zu lenken.

Viele bekannte Namen bei der „Fahnenmafia“

Alles alte Bekannte hier: Stefan Oberfranz aus Sandersdorf ist mit seiner „Obi“-Fahne da, Fabian Ludwig zeigt seinen „Basti“, Sebastian Baitz bringt das Potsdam-Banner mit, Frank Niemann natürlich „Air Bäron“ und auch „Thalheim“ von Heiko Martin aus dem Erzgebirge fehlt nicht zwischen „Grosblie“, „Altenburg“, „Sachsenadler“ und „Spenge“.

Die Männer mit der Halle-Fahne gehen gelassen mit der Konkurrenz um. Sie sind die Platzhirsche, die Zaunkönige, die alle Tricks kennen und die selbst die Kriegserklärung des Weltfußballverbandes bei der letzten WM in Brasilien überstanden haben.

2014 mussten die Fans um ihre Halle/S.-Fahne kämpfen

Ordner und Militärangehörige gingen damals gegen die Fahnenmafia vor. Banner mussten abgehängt werden, es kam zu Handgemengen und auch den Hallensern blieb zeitweise nur der Rückzug in einen oberen Rang. Kommerz statt Emotion. Hauptsache, die Werbebanden werden nicht verdeckt.

Russland kann so gesehen nur besser werden. Trotz der erschwerten Bedingungen in Brasilien war es für Möhring und Melzer keine Frage, ob sie zum Turnier nach Russland reisen und ihre Halle-Fahne zeigen wollen.

„Seit Monaten schon haben wir an der Reiseroute getüftelt und geplant“, erzählt Tobias Möhring, der am Flughafen Stuttgart arbeitet und durch seine vielen Fußballreisen ein Logistik-Experte geworden ist.

Für die WM 2018 geben die Fans Tausende Euro aus

Schon bei der ersten Kartenverkaufsphase haben Möhring und Melzer Tickets für Spiele bestellt, die sie gern sehen würden, obwohl damals nicht einmal die Zusammensetzung der WM-Gruppen feststand.

Für welche Spiele sich die Ex-Hallenser bewarben, war also reines Glücksspiel - und am Ende wurde auch noch gelost. Genauso in der zweiten Phase, in der Fans gezielt Karten für ihre Teams beantragen konnten.

Über den Fanclub Nationalmannschaft des DFB haben die meisten Fahnenträger zudem Serientickets für die deutsche Elf bestellt - allein dafür würden rund 3.000 Euro fällig, wenn die Löw-Auswahl ins Finale käme.

Fahnenbesitzer wurden in Halle mit Bürgerpreis geehrt

Doch das ist es Halles Vertretern auf der großen Bühne des Weltfußballs wert. Möhring und Melzer, für ihre Verdienste um die Außendarstellung der Stadt Halle in der vergangenen Woche mit dem Bürgerpreis „Der Esel, der auf Rosen geht“ geehrt, haben den Ehrgeiz, möglichst viele Spiele zu sehen, bei denen sie das Esel-Logo des Bürgerpreises erstmals auf ihrer Fahne zeigen werden. „Jeden Tag eins, wenn es geht mehr“, beschreibt Möhring die Vorgabe für seinen Jahresurlaub.

Ein Mammutunternehmen. Zwischen Spielorten wie Kaliningrad im Westen und Jekaterinenburg im Osten liegen 3.000 Kilometer, zwischen St. Petersburg im Norden und Rostow im Süden 1.700.

Flüge müssen her, Mietwagen und Zugtickets, Unterkünfte müssen passend gesucht und Zeitpläne erstellt werden, damit die halleschen Fahnenhelden rechtzeitig im Stadion ankommen, um einen der Plätze zu ergattern, auf denen das Halle/S.-Banner für die ganze Welt am besten zu sehen ist. Am Donnerstag geht es los. Augen auf!

Fanclub der Fahne: www.bit.ly/hallesfahne