Ausstellung in Halle Ausstellung in Halle: Kraft tanken an Abgründen

Halle (Saale)/MZ - Es ist die Frage Nummer eins in der Urlaubszeit: Was willst du dort, wo du hinwillst? Oder anders ausgedrückt: Warum dahin und nicht dorthin? Vor 20 oder 30 Jahren schienen sich wenigstens in diesem Punkt die meisten Deutschen noch einig zu sein in ihren Vorlieben: In den Süden - Sonne, Wärme, Italien oder gleich ab in die Tropen! Und im Osten gab es angesichts eingeschränkter Reise-Optionen sogar einen Sehnsuchtssong mit dem Titel „Nach Süden, nach Süden!“, bei dem viele, die ihn gut fanden, freilich hätten schwören können, dass damit heimlich „Nach Westen, nach Westen!“ gemeint gewesen sei. Traumziele gab und gibt es also viele - nicht zu vergessen auch in Fernost. Aber im hohen Norden?! Was immer mehr Leute gerade dort wollen, bleibt fast allen anderen rätselhaft. Bei den oft kargen Landschaften helfen auch die besten Urlaubsfotos den Nord-Begeisterten argumentativ nicht weiter. Wenn das kein Fall für echte Kunst ist!
Die Malerin Annekatrin Müller macht pünktlich zur Urlaubszeit in dieser Sache ein höchst interessantes Angebot. Im Galeriecafé in der Hallorenschokoladenfabrik hat sie um eine Serie von Island-Bildern herum eine Ausstellung gruppiert, die sie „Traumraum“ nennt. Mitgestaltet ist sie von der halleschen Galerie „Kunst-Landschaft“ - und trägt den Untertitel „Island. Blüten“.
Diplom an der "Burg"
Dabei geht es freilich nicht um eine Fantasie, die seltsame Blüten treibt oder gar mit der Künstlerin durchgeht - ganz im Gegenteil. Annekatrin Müller, gebürtige und weiter hier lebende Hallenserin hat in den 80ern an der „Burg“ das Maler-Diplom abgelegt und als Aspirantin bei Frank Ruddigkeit und als Assistentin an der Hochschule einen verheißungsvollen Start ins Künstlerleben hingelegt.
Seit den 90ern ist sie teils freiberuflich und teils kunsttherapeutisch tätig und hat immer wieder mit eigenen Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen auf sich aufmerksam gemacht. Handwerklich über jeden Zweifel erhaben, hat sie freilich in all den Jahren immer auch nach ihrem Eigenen und Eigentlichen - dem Unverwechselbaren für ihre Bilder - gesucht. Dem könnte sie mit der neuen Schau nun ein gutes Stück nähergekommen sein. Denn was die Malerin hier zeigt, und was sie da in im Norden gesehen und gefunden hat, sind im Grunde auch Seelenlandschaften. Und zwar Seelenlandschaften, die sich ähneln dürften mit denen vieler, die es ebenfalls nordwärts zieht. Denn was sie alle dort suchen und wohl auch zunehmend finden, ist in Annekatrin Müllers Bildern in große Klarheit zu erkennen, ja oft geradezu zu spüren.
„Traumräume“ und „Erdenergie“
Diese , ihre naturnahen „Traumräume“ sind vor allem Schluchten, darunter auch regelrechte Abgründe. Ein Bild ist dafür beispielhaft: Es zeigt Figuren, die in einen solchen Abgrund blicken. Ein im Vergleich zu manch anderen Abgrund-Darstellungen und Schlucht-Perspektiven eher hoffnungsfrohes Bild mit geradezu goldenen und auch noch weitreichenden Aussichten. Wer gelegentlich auch an anderen, nämlich den sprichwörtlichen Abgründen steht, der kann an Abgründen wie diesem durchaus Kraft tanken.
Natürlich auch in verwandten Landschaften - und vor Bildern, die sie zeigen. „Erdenergie“ ist einer von Annekatrin Müllers Island-Bildtiteln, der neben allem Gezeigten auch mit einem Wort sagt, worum es der Künstlerin in ihrer Schau geht. Und der zudem gleich noch eins der Rätsel um die Faszination des Nordens löst.
Die Ausstellung läuft noch bis 12. Oktober in der Delitzscher Straße 70. Geöffnet ist werktags 9 bis 18.30 Uhr, und an Wochenenden 11 bis 17 Uhr.