Ausgrabungen trotz Corona-Pandemie Archäologen der Uni Halle forschen weiter an steinzeitlichen Kulturstätten
Auch in diesem Sommer geht es für die Forscher weiter. Das Ziel der halleschen Prähistoriker ist in diesem Jahr Pömmelte im Salzlandkreis.

Halle (Saale) - Franziska Knoll von der Martin-Luther-Universität Halle bringt ihre Kamera in Anschlag. Vor ihr ein jahrtausendealter „Kühlschrank“, den vorgeschichtliche Menschen für die Lebensmittellagerung nutzten. Die Szene stammt aus 2020, doch auch in diesem Sommer werden Archäologinnen und Archäologen der Uni Halle wieder nach Pömmelte ziehen, wo der „Kühlschrank“ in der Nähe eines Ringheiligtums gefunden wurde. Schließlich gibt es noch einiges in Erfahrung zu bringen über unsere fernen Vorfahren.
Archäologe der Uni Halle hat schon im In- und Ausland gegraben
„Der vorgeschichtliche Mensch hatte im Grunde die gleichen Probleme wie wir“, sagt Archäologieprofessor François Bertemes. Er spricht damit nicht von verspäteten Zügen oder streikenden Druckern, sondern von den existenziellen Grundproblemen, zum Beispiel die Frage nach der eigenen Kultur oder Schwierigkeiten mit Mitmenschen.
Seit mehr als 20 Jahren hat Bertemes den Lehrstuhl für „Prähistorische Archäologie“ an der Universität Halle inne. Gegraben hat er schon im In- und Ausland und noch immer fasziniert ihn der Spiegel, den ihm die dinglichen Überreste vorgeschichtlicher Menschen vorhalten. „Ich erfahre neue Facetten meines eigenen Seins“, sagt er.

Ziel der halleschen Prähistoriker ist in diesem Jahr Pömmelte im Salzlandkreis
Die Pandemie stoppt die Pläne der Archäologinnen und Archäologen für diesen Sommer nicht. Ebenso wie in den Naturwissenschaften und beim Medizinstudium seien in der Archäologie Präsenzveranstaltungen geplant. Kaum ein Studiengang sei so vereinbar mit Hygienerichtlinien wie seiner, erklärt Bertemes: „Salopp gesagt: Auf Grabung sitzt jeder alleine vor seinem Loch.“
Ziel der halleschen Prähistoriker ist in diesem Jahr Pömmelte im Salzlandkreis. Das Gebiet des dortigen Ringheiligtums, ein Forschungsschwerpunkt der halleschen Archäologie, soll Auskunft über die Erbauer im dritten vorchristlichen Jahrtausend geben. „Es geht um die Menschen von damals“, sagt Bertemes und meint damit sowohl Konkretes wie Handwerk und Architektur, aber auch Abstraktes wie die Bedeutung von kulturellen Handlungen.
Erst Luftaufnahmen, dann Grabungen mit dem Bagger
Wenn Bertemes mit seinen Kollegen und Studierenden solche Fragen angeht, hat das nichts mit der Indiana-Jones-artigen Vorstellung von Archäologen als Glücksrittern zu tun. Anstelle von Schätzen, wird heute nach Daten gesucht - und das sehr systematisch. Der Großteil der Arbeit findet statt, ohne in die Erde einzudringen. Stattdessen werden Luftbilder ausgewertet oder das Erdmagnetfeld nach Auffälligkeiten abgesucht.
Erst wenn sicher ist, dass eine bestimmte Stelle Auskunft über die Fragestellung der Forscher und Forscherinnen gibt, wird die obere Erde weggebaggert und mit der Ausgrabung begonnen. „Graben auf gut Glück gibt es nicht mehr“, sagt Bertemes. Die Fundstücke werden dann mit modernen Labormethoden, wie zum Beispiel DNS-Analyse, untersucht. „Wir sind wissenschaftlich interdisziplinär ausgerichtet“, sagt der Professor.
Sobald die Daten geborgen sind, geht es an die Interpretation. Vor der Annahme, dass sich die Menschen vor fünftausend Jahren nicht wesentlich von den heutigen unterscheiden, werden mögliche Konzepte, Kulturen und Ideen von damals konstruiert. Dabei könne man nie wissen, ob man richtig liege, erklärt Bertemes, aber man komme den Menschen von damals - und was menschlich möglich ist - dennoch sehr nah. (mz)