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Antifa trifft auf Rechtsextreme Antifa trifft auf Rechtsextreme: Aggressive Stimmung bei Demos auf der Silberhöhe

Von Felix Knothe 09.08.2014, 17:16
Am Samstag gab es in der Silberhöhe zwei kleine Kundgebungen.
Am Samstag gab es in der Silberhöhe zwei kleine Kundgebungen. Felix Adler Lizenz

Halle (Saale) - Es musste in der aufgeheizten Stimmung im halleschen Stadtteil Silberhöhe als Provokation aufgefasst werden: Unter dem Motto „Schnauze in der Platte – gegen die Fremdenfeinde in der Silberhöhe“ hatte die hallesche Antifa zu einer Demo am Sonnabendnachmittag aufgerufen, um auf die rassistischen Vorfälle, die den Stadtteil in den vergangenen Wochen umgetrieben hatten, zu reagieren. Anwohner hatten dagegen mobilisiert und ebenfalls eine Demo unter dem Motto „Wir wohnen hier. Wo wohnt Ihr?“ angemeldet. Eine brenzlige Mischung, zumal auch im rechtsextremen Spektrum für die Gegendemo geworben worden war. Die befürchtete Konfrontation blieb jedoch aus. Die Polizei hielt die rund 85 Antifa-Aktivisten und die 100 Teilnehmer der Gegendemonstration auf Abstand.

Parolen und Beschimpfungen 

Bereits um 13 Uhr hatten sich die Anwohner zu ihrer Demonstration an der Wilhelm-von-Klewiz-Straße versammelt, auch eine Gruppe offenbar Rechtsextremer war dabei. Zwar versuchten die Veranstalter nach eigenen Angaben sich zu distanzieren, doch ohne Erfolg. Die Stimmung in der Gruppe war aggressiv, vor allem gegenüber der Polizei und Medienvertretern. Ein Kamerateam des MDR und auch andere Journalisten wurden wüst beschimpft. Eine Kundgebung zur Darstellung von Forderungen wurde nicht abgehalten. Einzelne „Roma-raus“-Rufe waren zu hören und ein paar Mal wurde auch das Demomotto skandiert.

Eine Frau, die ihren Namen nicht nennen wollte, sagte zur MZ, man wende sich gegen den Zuzug von Roma – freilich in eindeutig rassistischer Wortwahl: „Pack, Viehzeug, das Letzte“. Auch ein Mann, der sich Alexander nannte und nach eigenen Angaben früher 27 Jahre auf der Silberhöhe gewohnt hat, machte die erst jüngst zugezogenen Roma-Familien für Probleme in dem Stadtteil verantwortlich: Unsaubere Spielplätze, die von den Zuwanderern bevölkert würden: „Hier ist es runtergekommen. Niemand würde sein Kind mehr auf den Spielplatz hier schicken.“ Er habe nichts gegen andere Ausländer, die sich an die Regeln hielten. „Darauf wollen wir hinweisen: Dass die Roma sich hier an die Regeln halten sollen.“

Gerangel mit der Polizei

Mit den Regeln hatten freilich vor allem Teilnehmer der Anwohnerdemo Probleme. Vereinzelt gab es Gerangel mit der Polizei, die durchweg beschimpft wurde, aber deeskalierend auftrat. Ein Vermummter erkletterte einen Kiosk und präsentierte den Polizisten sein blankes Hinterteil. Später wurden Böller gezündet. Viele hatten Bierflaschen und -büchsen in der Hand. Später standen die im Gleisbett der Straßenbahn und anderswo herum – zur Freude einer Pfandsammlerin. Vielen ging es nicht nur um das vermeintliche Problem mit den Roma. Ihre Abscheu richtete sich auch gegen „den Staat“ oder „die Medien“.

„Das ist wie beim Fußball hier“, sagte eine umstehende Beobachterin, „Hauptsache Krawall“. Die Polizei teilte am Abend mit, es habe insgesamt acht Strafanzeigen gegeben, unter anderem wegen Beleidigung, Körperverletzung oder Sachbeschädigung. In fünf Fällen mussten die Beamten „einfache körperliche Gewalt“ zur Durchsetzung von Platzverweisen anwenden. In einem Fall wird zudem der Straftatbestand der Volksverhetzung geprüft.

Auf Seite 2 erfahren Sie mehr über die Antifa-Aktion und ratlose Politiker.

"Jeder Mensch darf wohnen, wo er will.“

Die Antifa-Demonstration begann eine Stunde nach der Gegendemo auf dem Platz zwischen S-Bahnhof und Gesundheitszentrum Silberhöhe. Auf die Beobachter am Straßenrand und auf den Balkonen muss sie wie eine routinierte Invasion gewirkt haben. Hinter einer Barrikade aus Polizeiwagen hielten die Teilnehmer Transparente hoch, etwa: „Keine Anerkennung für fremdenfeindliche Hetze“ oder eben „Schnauze in der Platte, sonst stehn wir auf der Matte“. Der Demozug der zumeist schwarz gekleideten Antifa-Aktivisten setze sich dann wie geplant in Bewegung, die Wittenberger, Freyburger, Genthiner und Rosslauer Straße entlang. Per Lautsprecherwagen wurden die staunenden Silberhöher beschallt, mit linker Musik und viel antifaschistischer Theorie. „Hört auf, Euch in einem Kollektiv zusammenzurotten. Begreift, dass die Roma in einer ähnlichen Lage sind, wie Ihr: ökonomisch an den Rand gedrängt.“

Ein älterer Mann, der am Schluss des Zuges mitging, schüttelte immer wieder den Kopf: „Das sind nicht meine Worte.“ Warum er trotzdem mitlaufe? „Man muss ja doch irgendwie solidarisch sein. Jeder Mensch darf wohnen, wo er will.“ Er war einer von wenigen, die das so sahen und mitgingen. Dass der Demonstrationsaufruf der Antifa vor pauschalen Formulierungen strotzte, hatte im Vorfeld Kritik der halleschen Grünen hervorgerufen und auch eine Teilnahme des halleschen „Bündnisses gegen Rechts“ verhindert. Die Antifa unterstelle den Bewohnern der Silberhöhe insgesamt „Stumpfheit, Fremdenhass und Langeweile“, so die Grünen, im Ton sei sie tendenziell menschenverachtend. Die einzigen vom Aufzug vorbehaltlos Faszinierten waren ein paar sechs- bis achtjährige Kinder, die der Demo staunend folgten, den Ball noch unterm Arm.

Keine neuen Probleme 

Ratlosigkeit bei einem Grüppchen von Politikern der Linkspartei, die sich keiner der beiden Demos anschlossen, aber die einzigen Politiker waren, die überhaupt gekommen waren. „Das hier ist Hass gegen Hass“, sagte Linken-Landesvorsitzende Birke Bull. „Natürlich muss zuallererst Rassismus als Rassismus benannt und zurückgewiesen werden. Aber die Frage muss auch sein, wie man jetzt hier Stadtteilpolitik macht angesichts der Situation. Da muss jetzt viel diskutiert werden.“  „Wir sind hier, um uns ein Bild zu machen“, sagte Stadtvorsitzender und Stadtrat Swen Knöchel. Keines der von den Anwohnern benannten Probleme sei neu.

„Wir haben seit fünf Jahren hier große Probleme, auch mit Sauberkeit. Das hat mit dem Personenkreis, dem das jetzt zugeschoben wird, nichts zu tun.“ Die soziale Spaltung sei größer auf der Silberhöhe als anderswo in Halle. Trotzdem seien wegen der Haushaltskonsolidierung Angebote eingespart worden. „Wir sind als Stadt weniger präsent hier.“ Dagegen müsse die Stadt in Problemvierteln beispielsweise die besten Schulen vorhalten. In Richtung Antifa sagte Knöchel: „Der Demoaufruf ist wenig hilfreich. Er zeugt auch von großer Unkenntnis der Silberhöhe.“

Später, als die Antifa samt Polizeieskorte weitergezogen war, machte sich eine Gruppe älterer deutscher Kinder, nicht alle mehr ganz nüchtern, daran, andere, ausländische Kinder, die das Treiben vom Fenster im vierten Stock aus beobachtet hatten, wüst zu beschimpfen. Klingelstreich, halbstarke Gesten, „kommt runter“ und „verpisst Euch“ - die deutschen Kinder waren keine 14, die anderen jünger. Das aus Kindermund gebrüllte „Ausländer raus“ war das Ende eines deprimierenden Nachmittags auf der Silberhöhe. (mz)

Antifademo in der Silberhöhe
Antifademo in der Silberhöhe
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