Adventskalender Halle Letzter Teil Adventskalender Halle Letzter Teil: Blick 300 Jahre zurück

Halle - Bevor sich das letzte Türchen der diesjährigen Adventsserie öffnet, Hand aufs Herz: Wie oft im Jahr geht’s in die Kirche? Zweimal, zu Ostern und Weihnachten? Das wäre schon eine Menge. Nur an Heiligabend? Für viele gehört der Kirchenbesuch wenigstens einmal im Jahr, am 24. Dezember und das „eingrooven“ ins Weihnachtsgefühl einfach dazu. Aber nicht aus religiösen Gründen. Die Lieder, die Krippenspiele, die Kerzen: Wem da nicht warm ums Herz wird, der macht etwas falsch. Und die Bibeltexte - die gehören halt auch zwangsläufig mit dazu, denkt wohl so mancher.
Wie wertvoll die Bibel - die Grundlage für die weihnachtliche Botschaft - wirklich ist, zeigt der letzte Advents-Besuch für das 24. Türchen. Ein Blick, 300 Jahre zurück. Bibeln waren damals, nach dem verheerenden 30-jährigen Krieg, in ihren Herstellungskosten extrem teuer und heiß begehrt. Carl Hildebrand Freiherr von Canstein wollte sie von Halle aus wieder erschwinglich machen. Er baute Anfang des 18. Jahrhunderts die „Cansteinsche Bibelanstalt“ in den Franckeschen Stiftungen auf. Statt wie bis dahin immer nur wenige Seiten zu drucken und dann die Lettern wieder neu für die nächsten Seiten zu setzten, schwebte ihm eine andere Idee vor. Er ließ einen sogenannten „Druckstock“ für alle Seiten anfertigen, die Lettern mussten so nicht mehr umständlich ausgetauscht werden - Bibeldruck in Massenproduktion.
Das „Canstein Bibelzentrum“, quasi das Erbe der Bibelanstalt, befindet sich heute ebenfalls auf dem Gelände der Franckeschen Stiftungen, passenderweise im Haus 24 und ist damit wie gemacht für dieses letzte, 24. Türchen. Der Leiter des Zentrums ist Pfarrer Walter Martin Rehahn. Hier halten er und sein Team Vorträge für Erwachsene und Kinder und sie bieten Workshops an, alles, um den Besuchern die Bibel näher zu bringen. Denn heute gibt es die Heilige Schrift zwar im Überfluss, doch vielen Menschen ist sie fremd geworden. Dabei sei sie so wichtig, sagt Pfarrer Rehahn: „Viele europäische Kunst ist religiös geprägt, die man ohne die Bibel nicht versteht.“ Schon im Schulunterricht komme die Bibel vor und natürlich sei sie auch Lebenshilfe in Zeiten, in denen es einem schlecht ginge.
Die Bibel wieder ins Bewusstsein der Menschen zu rücken, das war die Idee, als Walter Martin Rehahn 1995 das Bibelzentrum gründete. Zuvor war er Schülerpfarrer in den Räumen des Marktkirchen-Gemeindehauses. „Es kamen auch nicht kirchlich geprägte Leute“, erzählt der Pfarrer. Die Treffen waren ein Ritual.
Genauso ein Ritual ist mittlerweile auch eine Veranstaltung geworden, bei der Rehahn seit etwa sechs Jahren mitwirkt: Er leitet den Weihnachtsgottesdienst im Schafstall im Landgut Krosigk (Gemeinde Petersberg). Heute um 16 Uhr sitzen wieder Hunderte Menschen zwischen 900 bis 1 000 Schafen in weihnachtlicher Atmosphäre. „Wenn die Musik spielt, sind die Schafe ruhig, sonst ‚mähen‘ sie natürlich zwischendurch“, erzählt der 63-Jährige. Unter den Zuschauern sind dann sicher auch viele, die nur ein Mal im Jahr, der Atmosphäre wegen, in die (Stall)-Kirche gehen. Aber vielleicht werfen sie danach ja doch mal einen Blick in die Bibel. Pfarrer Rehahn würde es freuen. (mz)