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Simone Graf in Gräfenhainichen Simone Graf in Gräfenhainichen: Kurviger Lebensweg zur Erwachsenenbildung

Von Dietmar Bebber 04.08.2020, 07:30
Simone Graf ist die Leiterin der LEB-Arbeitsgemeinschaft Anhalt-Wittenberg.
Simone Graf ist die Leiterin der LEB-Arbeitsgemeinschaft Anhalt-Wittenberg. Th. Klitzsch

Gräfenhainichen - Mit dem kürzlich eröffneten „Lerntreff!“ hat die Ländliche Erwachsenenbildung in Gräfenhainichen ein Angebot mehr. Simone Graf, die Leiterin der LEB Arbeitsgemeinschaft Anhalt-Wittenberg, rührt dafür die Werbetrommel. Denn sie weiß, dass der Bedarf dafür da ist. „Ich möchte losgehen in die Welt und jeden informieren“ ist ihr Motto, das sie schon ihr Leben lang umtreibt.

„Schon als Kind war ich immer aktiv und habe auch Verantwortung für alle meine Mitschüler übernommen.“ So ist es nicht verwunderlich, dass sie sich recht schnell für den Beruf des Lehrers entschied. Doch ihre Herkunft als Tochter eines selbstständigen Fleischermeisters hätte ihr diesen Berufswunsch fast verwehrt.

Zu früheren DDR-Zeiten stellte dies durchaus schon mal ein Hindernis dar, wenn man sich um eine höhere Schulbildung geschweige denn um ein Studium bemühte. Doch trotz der harschen Ansage des verantwortlichen Lehrers für Berufsbildung, dass sie als „Kapitalistenkind“ niemals Lehrer werden würde, sollte ihr Traum Wirklichkeit werden.

In Potsdam durchlief sie schließlich ein vierjähriges Studium zum Pionierleiter gekoppelt mit den Fächern Deutsch und Sport. „Seitdem liebe ich Potsdam auch über alles“, schwärmt sie noch heute.

1981 trat sie dann frisch ausgebildet ihren Schuldienst an ihrer alten Schule in Zahna an, wurde dann aber in in Wittenberg eingesetzt. Durch die Krankheit ihrer Kinder sah sie sich gezwungen, den Schuldienst zu verlassen. In der Folge verschlug es sie nach Parchim im ehemaligen Bezirk Schwerin, wo sie die Leitung eines Kinderferienlagers übernahm.

Es sollte bis 1989 zusammen mit ihrem Mann der Lebensmittelpunkt werden. Hier konnte sie sogar wieder ihren Lieblingsberuf ausüben, denn das Ferienlager war ganzjährig geöffnet und komplette Schulkassen waren auch in der Schulzeit für vier Wochen inklusive Unterricht zu Gast.

Plötzlich alles weg

Mit der „Wende“ war sie mit ihrer Familie als Delegierte des Bezirkes Halle plötzlich sogar von der Obdachlosigkeit bedroht, denn die mit ihrer Tätigkeit verbundene Betriebswohnung hatten sie innerhalb von vier Wochen zu räumen. Doch sie sollte Glück im Unglück haben, denn das ehemalige Objekt der Staatssicherheit „Forsthaus Parnitz“ wurde vom Landkreis übernommen und ein Schullandheim errichtet.

Das erfreute sich großer Beliebtheit, konnten doch die Kinder, sogar mit Eltern, in einem der Bungalows schlafen. Mit der Gebietsreform 1994 entschied sich der Landkreis für das Schullandheim in Möhlau, so dass Graf auch wieder ohne Arbeit dastand.

Der Gang zum Arbeitsamt war unausweichlich und sie erlernte in einer dreijährigen Ausbildung den Beruf der Groß- und Außenhandelskauffrau. „Es waren definitiv keine verlorenen Jahre“ schätzt sie heute rückblickend ein.

Kurz nach der Ausbildung stieg sie bei dem Bildungsträger ein, bei dem sie gerade noch ihre Ausbildung absolviert hatte. Nach einer recht turbulenten Zeit an dieser Arbeitsstelle kam der Einstieg bei der Ländlichen Erwachsenenbildung (LEB). Hier habe sie nun ihr Zuhause gefunden und könne sich voll entfalten, sagt sie.

Hilfe in verschiedenen Formen

Dabei hat sie sich mit ihrem Team einmal mehr der Ausbildung von benachteiligten Menschen mit geringer und gar keiner Bildung, der sogenannten Grundbildung, verschrieben. Besonderes Augenmerk legt Simone Graf da auf die Hilfe für die Analphabeten.

In Deutschland gab es 2011 laut einer Studie der Universität Hamburg unter den Erwachsenen vier Prozent beziehungsweise zwei Millionen totale sowie mehr als 14 Prozent beziehungsweise 7,5 Millionen funktionale Analphabeten. Hier setzt der Lerntreff an. Er bietet Menschen, die nicht gut lesen, schreiben oder rechnen können, Hilfe in verschiedenen Formen an.

Für Graf ist der Arbeitsvertrag bei der LEB übrigens schon ihr zwanzigster und soll möglichst auch ihr letzter bleiben, damit sie noch möglichst lange „jeden informieren“ darf. (mz)