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Pillenstreit Pillenstreit: Verstößt die Festival-Apotheke in Ferropolis gegen das Gesetz?

Von Michael Hübner 26.07.2017, 07:49
Michael Spiegel (links) mit seinem Apothekenteam auf dem Melt-Festival in Ferropolis
Michael Spiegel (links) mit seinem Apothekenteam auf dem Melt-Festival in Ferropolis Thomas Klitzsch

Gräfenhainichen - Ohropax für die Partygäste in Ferropolis? Ja, sagt Michael Spiegel, das werde schon mal von den jungen Leuten geordert. Die Festival-Apotheke, die der Gräfenhainichener betreibt, setzt aber in ihrem Internet-Auftritt andere Schwerpunkte. An der Spitze der Rubriken stehen die Produkte für „Sex und Verhütung“. Der Geschäftsführer kommentiert das nicht, kann sich aber ein herzhaftes Lachen nicht verkneifen.

Lustig findet das der Apotheker Axel Holzgräbe nicht. „Wir haben knallharte Gesetze“, sagt er. Nach seiner Auffassung ist der Pillen-Verkauf in Ferropolis genehmigungspflichtig. „Dafür wird eine Betriebserlaubnis benötigt“, so der Apotheker. Und die könne es quasi für den Verkauf von der grünen Wiese nicht geben.

Die Festival-Apotheke existiert aber schon seit 2011. Einen „Dornröschenschlaf“ vermutet Holzgräbe bei den Verantwortlichen. „Außerhalb der Apotheken darf mit Arzneimitteln kein Handel betrieben werden“, heißt es im Arzneimittelgesetz. Im Klartext: Drogerieartikel dürfen verkauft werden, Apothekenpflichtiges aber nicht.

Kritik von anderen Apothekern

Beide Männer kennen sich. Spiegel ist für die Apothekenkammer im Einsatz. Und als Testkäufer hat er Holzgräbes Apotheke in Roßlau geprüft. „Es gibt aber keine Privatfehde“, sagen beide Männer. Aber gerade ein Kontrolleur müsse im eigenen Handeln vorbildlich sein, so der Roßlauer.

Die Aktivitäten in der Stadt aus Eisen, so Holzgräbe, werde vor allem von jenen kritisch beäugt, die den Notdienst leisten. „Ich hatte keinen Cent Umsatz“, bestätigt Gerburg Kuhnert auf MZ-Anfrage. Ihre Gräfenhainichener Apotheke sichert zu „Splash“ den Dienst ab. Umsonst. „Ich bleibe auf den Personalkosten sitzen“, sagt die Chefin. Das sei vor 2011 anders gewesen.

„Ich will in Ferropolis kein Geld verdienen. Ich mache das praktisch ehrenamtlich“, so Spiegel und betont, dass ein Teil der Einnahmen für die Vereine der Stadt gespendet werde. Die Frage nach der Betriebserlaubnis beantwortet Spiegel wortreich, aber unkonkret. Demnach sei rechtlich alles sauber. Er habe dies mit „allen Ämtern“ abgeklärt. Auf MZ-Nachfrage nennt er das Landesverwaltungsamt und die Apothekenkammer.

Bürgermeister Enrico Schilling (CDU) bewertet das Engagement Spielgels positiv. „Das ist ein sehr, sehr guter Service“, sagt er und trage auch zu Entlastung der Notaufnahme des Wittenberger Paul-Gerhardt-Stiftes bei. „Kleinere Verletzungen werden vor Ort versorgt“, so Schilling. Das übernimmt aber seit Jahren immer nur ein Apotheker: eben Spiegel, nicht nur Parteifreund Schillings, sondern auch Chef des Ferropolis-Beirats. Ein Geschmäckle sei dies aber nicht, betont der Bürgermeister. „Es gab keine Ausschreibung“, räumt Schilling ein, „muss es aber auch nicht.“ Nach seiner Darstellung handle es sich um einen „erweiterten Botendienst“ der Linden-Apotheke.

Das Modell - von Spiegel im MZ-Gespräch nicht erwähnt - könnte sogar gesetzeskonform sein - und wenn er dann noch den Notdienst der Kollegen übernimmt, gibt es eigentlich keinen Grund für Kritik.
So einfach macht es sich das Landesverwaltungsamt aber nicht. „Nach einem Hinweis vom 18. Juli prüfen wir den Sachverhalt“, sagt Pressesprecherin Gabriele Städter. Auch die Apothekenkammer stellt keinen Persilschein aus. „Wir kennen die Vorwürfe nicht“, sagt Geschäftsführerin Christine Heinrich.

Klage wegen Verstößen gegen das Datenschutzgesetz

Juristischen Ärger bekommt Spiegel auf jeden Fall - und zwar von der auf IT-Sicherheit spezialisierten Kanzlei Smith, Gambrell und Russell aus Atlanta/USA. „Wir haben Klage eingereicht“, sagt Markus Bahmann. Und das sei „fairer Weise“ am Landgericht Dessau geschehen. Bei einem „fliegenden Gerichtsstand“ gebe es viele Optionen, betont der promovierte Jurist im MZ-Gespräch. Nach seinen Angaben steht hier Spiegels Vertrieb über Amazon-Shops in der Kritik. „Es geht um Verstöße gegen das Datenschutzgesetz“, erläutert der Anwalt auf MZ-Anfrage.

Aus dem Namen der Medikamente könnten darüber hinaus Rückschlüsse auf die Beschwerden des Bestellers gezogen werden. Spiegel kommentiert dies nicht. Andere Shop-Betreiber, die sich zumindest noch nicht mit einer Klage konfrontiert sehen, widersprechen den Vorwürfen energisch. Aus einem Kaufvorgang allein ließen sich kaum Rückschlüsse auf einen bestimmten Gesundheitszustand des Käufers schließen, da auch für Freunde und Verwandte über denselben Account bestellt werden könne.

Die Shop-Betreiber drücken dem Gräfenhainichener Spiegel - „Ich sehe das sportlich“ - die Daumen. Die Verhandlung in Dessau ist bisher einmalig in Deutschland. In Justizkreisen wird von einem Musterprozess gesprochen. (mz)