1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Eisleben
  6. >
  7. Theater Eisleben: Theater Eisleben: "Von Anfang an wohl gefühlt"

Theater Eisleben Theater Eisleben: "Von Anfang an wohl gefühlt"

Von Jörg Müller 24.10.2014, 18:05
Spot an: Ulrich Fischer ist der Chef im Eisleber Theater.
Spot an: Ulrich Fischer ist der Chef im Eisleber Theater. Klaus Winterfeld Lizenz

Eisleben - Es war nicht gerade Liebe auf den ersten Blick damals 1986 zwischen Ulrich Fischer und dem Eisleber Theater. Mehr noch: Fischer ließ das Haus sogar komplett links liegen. Als der 26-jährige Absolvent der Theaterhochschule Leipzig auf dem Weg zu seinem Vorstellungsgespräch am Thomas-Müntzer-Theater war, „da bin ich erst einmal prompt daran vorbei gelaufen“, wie Fischer (54) erzählt. Irgendwie hatte er das Haus an der Landwehr nicht als Theater wahrgenommen. Es ist dann aber doch eine tiefe Beziehung daraus entstanden: Seit damals, als er hier als Dramaturg anfing, hat er der Bühne die Treue gehalten. Und dieser Tage kann er ein Jubiläum feiern: Fischer ist seit 20 Jahren Intendant. Er gehört damit zu den dienstältesten Theaterleitern in Deutschland.

Start mit Puppen Ulrich Fischer wurde am 14. Dezember 1959 in Magdeburg geboren. Sein Vater war Professor in der Fachrichtung Maschinenbau an der Technischen Hochschule (TH), seine Mutter Hausfrau. Fischer ging zunächst auf eine Schule mit erweitertem Russischunterricht und dann auf die Erweiterte Oberschule. Zum Theater kam er während der EOS-Zeit über eine Freundin, die ihn mal zu einem Amateur-Puppentheater der TH mitnahm. „Das hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich dabei geblieben bin“, so Fischer.

Er bewarb sich an der Theaterhochschule „Hans Otto“ in Leipzig für ein Studium der Theaterwissenschaft - als einer von 400 Interessenten für 20 Plätze. Dass Fischer angenommen wurde, wundert ihn selbst noch heute. „Ich hatte überhaupt keine Ahnung vom Theater. Ich kannte zum Beispiel Heiner Müller nicht.“ Aber vielleicht sei das sogar sein Pluspunkt gewesen. „Ich kann mir vorstellen, dass die Jury Studenten wollte, die nicht schon alles über das Theater wissen.“ Sein Vater sei zwar „aus allen Wolken gefallen“. „Er hat mich aber immer unterstützt.“

Während des Studiums von 1981 bis 1986 übernahm er auf eigenen Wunsch die Regieassistenz bei einer Inszenierung der Schauspiel-Studenten. „Das war spannend“, so Fischer. „Da habe ich gemerkt, dass mir das Spaß macht.“ Von der umfangreichen theoretischen Ausbildung profitiere er heute noch. Nach dem Diplom versuchte Fischer, an das Theater in Karl-Marx-Stadt zu kommen, wo er ein halbjähriges Praktikum absolviert hatte. „Da war aber nichts zu machen.“ Er erhielt fünf Angebote und entschied sich sehr schnell für Eisleben.

Ein paar Jahre - mehr Zeit habe er sich zunächst nicht in Eisleben gegeben. „Man hat ja gar nicht so lange vorausgeplant.“ Dazu kam, dass ihm eine „völlig heruntergekommene“ Wohnung in der Kasseler Straße zugewiesen wurde. „Es gab dort nicht mal einen Wasserhahn“, so Fischer. „Ich bin gleich wieder umgekehrt.“ In die nächste Wohnung am Markt konnte er dann aber einziehen. Am Theater - dessen Leitung gerade Frank Hofmann von Klaus-Dieter Braun übernommen hatte - habe er sich „von Anfang an wohl gefühlt“. „Ich bin gut aufgenommen worden.“

Über Nacht als Intendant abberufen

Das Drei-Sparten-Haus hatte mehr als 200 Mitarbeiter; Fischer war einer von vier Dramaturgen. „Ich habe schnell gemerkt, dass ich auch gern Regie führen würde.“ Intendant Hofmann habe ihm das dann ermöglicht. 1988 inszenierte Fischer erstmals ein „kleines Stück“ von Heinz Drewniok: „Die Jungs“. Mit seiner nächsten Regiearbeit sei er allerdings „grandios gescheitert“, so Fischer. Es handelte sich um ein Auftragswerk von Lothar Gitzel: „Satan von Allstedt“, ein Stück über Thomas Müntzer, das im Frühjahr 1989 Premiere hatte. Das Stück zeigt Müntzer als gescheiterten Revolutionär - was ein halbes Jahr später natürlich besondere Brisanz erhielt. Überhaupt spielte das Theater im Wendeherbst 1989 eine wichtige Rolle in Eisleben. Die Theaterleute schrieben offene Briefe und verlasen auf der Bühne Resolutionen, in denen sie die Staatsmacht zu einem breiten Dialog aufforderten und sich gegen die „Androhung und Ausübung von Gewalt“ wandten.

Kontakte zur DDR-Staatssicherheit

Im Oktober 1994 wurde Frank Hofmann „über Nacht“ als Intendant abberufen. Grund waren Kontakte zur DDR-Staatssicherheit. „Ich weiß nicht, was er gemacht hat“, sagt Fischer. „Unbestritten ist aber, dass er das Theater über die schwierigen Jahre bis 1994 gerettet hat. Das ist sein Verdienst.“ Hofmann hat später mehrfach als Gast an der Landesbühne inszeniert. Fischer, damals Chefdramaturg, wurde kommissarisch Hofmanns Nachfolger als Intendant. „Ich hatte mich nie danach gedrängt und mir das eigentlich auch nicht zugetraut“, sagt Fischer. „Aber dann habe ich gedacht: Wenn ich es nicht mache, kommt vielleicht jemand von außerhalb und tauscht erst mal alle Leute aus.“ Nach zwei Jahren kommissarischer Leitung erhielt Fischer dann einen regulären Vertrag als Intendant.

Schlaflose Nächte

„Dass es 20 Jahre werden, hätte ich nicht gedacht“, sagt er. Freilich sind es Jahre, in denen „ständig das Damoklesschwert über uns schwebte“. „Es ist ein Wunder, dass wir noch da sind.“ Freilich mit immer weniger Leuten. „1994 waren wir 93 Mitarbeiter. Heute sind es keine 50 mehr, und in Zukunft werden wir 35 sein.“ Ein schmerzhafter Prozess: „Wir haben uns immer bemüht, frei werdende Stellen abzubauen.“ Leider reiche das manchmal nicht aus. „Ich musste auch Leute entlassen“, so Fischer. „Das hat mir schlaflose Nächte bereitet.“ Abgesehen von den persönlichen Schicksalen - „die Mitarbeiter fehlen uns ja auch“. „Wir müssen nun versuchen, das Beste daraus zu machen“, so der Intendant. „Wir haben dem Kultusminister abgerungen, dass wir hier weiter Theater spielen können. Jetzt müssen wir herausfinden, was wir mit den geringeren finanziellen Mitteln noch leisten können.“ (mz)