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Ein Jahr ohne Volksfeste und Einkommen Mitten in der Krise kommt der neue Verkaufswagen vom „Schinderhannes“-Wirt

„Schinderhannes“-Wirt Siggi Friedt hat seit mehr als einem Jahr fast keine Einkünfte mehr. Ausgerechnet jetzt wird ein neuer Verkaufswagen geliefert.

18.04.2021, 08:15

Eisleben

Das ist bitter: Seit mehr als einem Jahr hat „Schinderhannes“-Wirt Siggi Friedt fast keine Einkünfte mehr. Lediglich ein Kurzzeit-Biergarten im vergangenen Spätsommer und die staatlichen Hilfen halten den Imbiss-Betrieb, der seit fast 30 Jahren zum Inventar auf der Eisleber Wiese gehört, über Wasser. Und ausgerechnet jetzt ist der neue Verkaufswagen ausgeliefert worden - Kostenpunkt: 300.000 Euro. „Das musste natürlich auch bezahlt werden“, sagt Friedt, der für diese Investition in der Familie und bei einer Bank ein Darlehen aufnehmen musste.

Schausteller sind schwer von der Corona-Pandemie betroffen

Wie alle Schausteller gehört Friedt zu den am schwersten von der Corona-Pandemie Betroffenen. „Es fehlt einfach die Perspektive“, sagt der 56-Jährige aus Lemgo (Nordrhein-Westfalen). Zum Glück habe die Auszahlung der staatlichen Unterstützung gut funktioniert. „Da kann ich wirklich nicht klagen.“ Aber natürlich fehle ihm und seiner Familie die Arbeit auf den Volksfesten. „Das ist mental schon oft sehr schwierig“, sagt Friedt. Nachdem die Eisleber Frühlingswiese bereits abgesagt worden ist, hat er noch Hoffnung auf die Wiese im September. „Das wird aber nur möglich sein, wenn bis dahin die Herdenimmunität erreicht ist.“ Das heißt, wenn durch Impfung oder durchgemachte Krankheit eine ausreichende Zahl der Menschen immun gegen Corona ist. So hatte sich dieser Tage auch der Präsident des Deutschen Schaustellerbundes, Albert Ritter, geäußert. Wichtig sei aber, dass Kommunen nicht vorsichtshalber schon jetzt Volksfeste etwa für den Herbst absagten. „Wir haben mit kurzfristiger Planung kein Problem“, so Ritter. Die Branche habe sehr gute Hygienekonzepte erarbeitet.

Der neue „Schinderhannes“-Verkaufswagen, eine Spezialanfertigung der Firma Dietz Fahrzeugbau in Schwalmstadt (Hessen), sei 2019 bestellt worden, „als von Corona noch keine Rede war“, erzählt Friedt. Mitentscheidend für die Investition seien die Frühlingswiese und der Wiesenmarkt gewesen. „Es ist einfach ein sehr guter Platz für uns.“ Seit 1994 steht der „Schinderhannes“ der Familie Friedt mit dem beliebten Spießbraten in Eisleben. Der alte Verkaufswagen, Baujahr 1988, sei regelmäßig renoviert worden, zuletzt 2015. Er wird auch weiter im Einsatz sein. Der neue Wagen sei größer, moderner gestaltet und natürlich mit neuer Technik ausgestattet, unter anderem einer Hydraulikanlage zum selbstständigen Rangieren. „Wir hätten den Wagen gern auf der Frühlingswiese präsentiert“, so Friedt. „Wir sind da ja auch stolz drauf.“ Doch das Geschäft mit dem Wert eines „Einfamilienhauses mit Grundstück“ muss vorerst in der Halle stehenbleiben, die der Betrieb 2013 neu gebaut hat.

Einnahmen aus zwei Jahren fehlen

Auch wenn im Herbst vielleicht noch etwas möglich ist, geht Friedt von zwei fehlenden Wirtschaftsjahren aus. Der Biergarten, den der Familienbetrieb im August vergangenen Jahres in Lemgo eingerichtet hatte, sei nur zehn Wochen gelaufen. „Das hat uns zehn Prozent unseres Jahresumsatzes gebracht“, so Friedt. „Das tut schon weh. Aber wir werden überleben, weil wir in der Vergangenheit gut gewirtschaftet haben.“ Die fest angestellten Mitarbeiter seien in Kurzarbeit. Er selbst müsse allerdings an seine privaten Rücklagen gehen. Tochter Lea, die perspektivisch in den Familienbetrieb einsteigen wollte, arbeitet vorerst in einem Steuerbüro. Sorgen macht sich Friedt um die circa 30 Pauschalkräfte, die normalerweise in der Saison im Einsatz sind. „Die tun mir leid. Sie fallen hinten runter.“ Er hoffe nur, dass sie wiederkommen, wenn es wieder losgehe. (mz/Jörg Müller)