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Diskussion um Denkmal „Lenin gehört zur Geschichte Eislebens, da führt kein Weg vorbei“

Viele Eisleber plädieren für eine Rückholung des Lenin-Denkmals aus Berlin. Was ein Experte von einer Wiederaufstellung des Denkmals in der Lutherstadt hält.

13.04.2021, 09:33

Eisleben

„Man kann zu dem Denkmal stehen, wie man will, für mich war es immer ein Symbol der deutsch-sowjetischen Freundschaft und ein Geschenk der Sowjetunion an die Stadt Eisleben.“ Mit dieser Meinung steht Ralf-Dieter Matuschek nicht allein, wie der Tenor mehrerer Leserbriefe an die MZ zum Thema Lenin-Denkmal zeigt. Dass die Statue in der Wendezeit ohne die Einbeziehung der Bevölkerung nach Berlin verbracht worden sei, halte er bis heute für eine „mehr als unglückliche Entscheidung des damaligen Stadtrates“, so Matuschek. Er befürchtet, dass das Lenin-Denkmal „vermutlich für alle Zeiten aus der Öffentlichkeit verschwinden“ werde, wenn es wegen der geplanten Umbauarbeiten erst einmal im Museumsdepot eingelagert worden sei.

„Lenin gehört zur Geschichte Eislebens, da führt kein Weg vorbei“, meint auch Olaf Förster. „Und wo könnte man diese Geschichte am besten darstellen? Natürlich vor Ort in Eisleben!“ Standort müsse ja nicht unbedingt der Plan sein, so der MZ-Leser, der die Siebenhitze vorschlägt. Dort könnte vielleicht noch der vorhandene Sockel der Seilscheibe genutzt werden. „Das Denkmal und Berlin passen nicht zusammen“, so Förster. Der geschichtliche Zusammenhang könne dort nicht richtig dargestellt werden. Zudem hätte Eisleben „ein zweites touristisches Standbein“ neben Martin Luther.

Kehrt das Lenin-Denkmal nach Eisleben zurück?

Volker Hornung aus Ahlsdorf plädiert dafür, die Bürger in Eisleben oder besser noch im Mansfelder Land zu befragen, ob das Lenin-Denkmal zurück nach Eisleben kommen sollte. „Es geht um eine gerechte Sicht auf die Geschichte unserer Region. Da kommt man bei objektiver Sicht der Dinge nicht um dieses Denkmal herum!“ Es sei richtig, dass Lenin „einer der größten Massenmörder gewesen sei“, so Hornung. „Das muss man auch erzählen, wenn das Denkmal in Eisleben wieder aufgestellt wird.“ Eine bessere Gelegenheit biete sich nicht. „Ich glaube nicht, dass die Bürger unserer Stadt und unsere Gäste nicht in der Lage sind, die Geschichte zu verstehen und entsprechend einzuordnen, wenn sie ihnen sachkundig dargebracht wird“, so der MZ-Leser.

Der Eisleber Stadtrat wird sich am heutigen Dienstag mit dem Thema befassen. So soll über eine Änderung des Leihvertrages mit dem Berliner Museum entschieden werden, wo sich das Lenin-Denkmal seit 1991 befindet. Außerdem hat die Fraktion Die Linke/Die Partei den Antrag gestellt, den Vertrag zu kündigen und das Denkmal nach Eisleben zurückzuholen. Dazu fordert die Fraktion eine Bürgerbefragung, die parallel zur Landtagswahl am 6. Juni stattfinden solle.

Kritisch sieht Ehrhardt Schmidt eine mögliche Wiederaufstellung des Lenin-Denkmals. „Für mich ist das undenkbar“, sagte der 93-jährige Eisleber, der Ehrenmitglied der Vereinigung der Opfer des Stalinismus ist. „Das wäre ein Schlag ins Gesicht der Opfer“, so Schmidt. Lenin sei der Lehrer Stalins gewesen und habe damit „das Fundament für dessen Verbrechen gelegt“. Das Denkmal wäre vielleicht gar nicht aufgestellt worden, wenn man damals bereits vom „Roten Terror“ gewusst hätte, sagte Schmidt. „Und wahrscheinlich hätte man dann auch Lenin 1953 vom Sockel gestürzt.“ Der frühere Bergmann gehört zu den Zeitzeugen des Volksaufstands am 17. Juni 1953. Auf seine Initiative ist 2005 am Andreaskirchplatz eine Gedenktafel zur Erinnerung an dieses Ereignis angebracht worden.

Differenzierte historische Betrachtung der Person

Für eine „differenzierte historische Betrachtung“ spricht sich der Lenin-Experte Andreas Arndt (71) aus. Der ehemalige Philosophie-Professor an der Berliner Humboldt-Universität verweist darauf, dass Lenin „kein Vordenker einer Gewaltlösung auf Dauer“ gewesen sei. Er habe auch Kritik ernst genommen. „Stalin war da ein ganz anderes Kaliber.“ Der „Rote Terror“ sei zum Teil dem täglichen „Kampf ums Überleben“ im Bürgerkrieg geschuldet gewesen. „Auch Robespierre ist kein Vorbild für die Demokratie“, so Arndt im Gespräch mit der MZ, „trotzdem kann man natürlich die Französische Revolution feiern.“ Lenin habe durchaus Vorstellungen einer Demokratisierung gehabt und sei deshalb am Ende seines Lebens auch „desillusioniert“ gewesen. „Er hat davon gesprochen, dass der alte Machtapparat nur rot übertüncht worden ist.“

Arndt kann sich auch gut eine Wiederaufstellung des Eisleber Lenin-Denkmals im öffentlichen Raum vorstellen - gerade wegen seiner besonderen deutsch-russischen Geschichte. „Warum sollte es in einem Museumsdepot verschwinden?“ Voraussetzung sei, dass auf einer Tafel sowohl die Geschichte des Denkmals, als auch die Person Lenin differenziert dargestellt werde. „Das ist eine politische Entscheidung, zu der ein öffentlicher Diskurs geführt werden sollte“, so der Wissenschaftler. Denn natürlich sei Lenin ein Protagonist der Diktatur des Proletariats gewesen. Dementsprechend müsse „sorgfältig abgewogen“ werden, ob die Aufstellung des Denkmals angemessen und zumutbar sei. (mz/Jörg Müller)