1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Eisleben
  6. >
  7. Interview mit Streetworker: Interview mit Streetworker: Unterwegs auf der Straße von Hettstedt

Interview mit Streetworker Interview mit Streetworker: Unterwegs auf der Straße von Hettstedt

04.03.2014, 20:32
Hettstedts Streetworker Christoph Altmann (3.v.r.) mit Jugendlichen, die am Ölgrundteich eine Dirtbahn bauen wollen.
Hettstedts Streetworker Christoph Altmann (3.v.r.) mit Jugendlichen, die am Ölgrundteich eine Dirtbahn bauen wollen. Klaus Winterfeld Lizenz

Hettstedt/MZ - Mit langen Haaren, Jeansjacke und Birkenstocksandalen bewegen sie sich in den finstersten Ecken der Städte. Darauf beschränkt sich meist das Klischee über das Auftreten und die Arbeit von Streetworkern. Auf Christoph Altmann (37), der seit 1. August vergangenen Jahres Streetworker in Hettstedt ist, trifft diese Personenbeschreibung nicht zu.

Aber vielleicht treibt er sich in den finsteren Ecken von Hettstedt herum? Gibt es diese Ecken überhaupt? Über seine Arbeit und zukünftige Pläne sprach MZ-Reporterin Anke Losack mit Christoph Altmann.

Herr Altmann, gibt es denn finstere Ecken in Hettstedt?

Altmann: (lacht) Finstere Ecken eher nicht. Aber es gibt Schwerpunkte. Die Flamme der Freundschaft, das Einkaufszentrum Rewe und der Stadtpark beispielsweise können da genannt werden. Das sind aber keine Brennpunkte im Sinne von massivem Drogenkonsum, Prostitution oder Bandenverhalten. Das Verhalten, das die Jugendlichen an den Treffpunkten zeigen, ist ganz typisches Jugendverhalten der heutigen Zeit. Wir als Erwachsene müssen das erst einmal so akzeptieren und uns vielleicht an unsere Jugendzeit zurückerinnern. Die Erwachsenen haben in uns damals auch die „schlimme Jugend“ gesehen.

Hört sich harmlos an?

Altmann: So mag es klingen. Aber Hettstedt hat auch Probleme, die bearbeitet werden müssen. Ein großes Thema sind die Jugendkriminalität und -arbeitslosigkeit sowie der Konsum von Drogen. Außerdem gibt es ein hohes Gewaltpotential und fehlenden Respekt gegenüber Anderen. Die richtig schlimmen Geschichten passieren meist im Verborgenen oder hinter verschlossenen Türen.

Können Sie denn hinter verschlossenen Türen eingreifen?

Altmann: Nein. Ich kann bis zur Wohnungstür und nicht weiter. Rein muss das Jugendamt oder gegebenenfalls die Polizei. Es sei denn, der Jugendliche wünscht meine Hilfe. Ansonsten kann ich Hilfe bei Treffen anbieten oder darauf hoffen und appellieren, dass sie mit Problemen zu mir kommen. Meine Arbeit basiert auf Freiwilligkeit. Dazu muss jedoch ein gewisses Problembewusstsein bei den Betroffenen vorhanden sein.

Kommen oft Jugendliche mit Problemen zu Ihnen?

Altmann: Momentan noch selten. Es gehört auch immer Mut dazu, Hilfe anzunehmen. Nach einem halben Jahr in Hettstedt bin ich vielleicht für diejenigen, die meine Hilfe gebrauchen könnten, noch nicht bekannt oder vertrauenswürdig genug. Meine Arbeit braucht die nötige Zeit, damit die Jugendlichen das nötige Vertrauen aufbauen können.

Sprechen Sie die Jugendlichen in Hettstedt gezielt an?

Altmann: Ja, aber die Kontaktaufnahme gestaltet sich schwierig. Viele empfinden mich als Störenfried, wollen lieber unter sich sein und eigentlich nichts am eigenen Lebensentwurf ändern. Zum Teil handelt es sich auch meist schon um ältere Personen, die nicht unbedingt in mein Aufgabengebiet fallen.

Gibt es denn eine Altersbeschränkung für Ihre Arbeit?

Altmann: Meine Hauptzielgruppe sind vor allem Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre. Bei bestimmten Voraussetzungen auch bis 27 Jahre. Aber ich schließe keinen aus, der älter ist. Sozialarbeit in Hettstedt kann nur funktionieren, wenn ich im Hinblick auf städtische Problemlagen für alle Altersgruppen Ansprechpartner bin.

Wenn die Kontaktaufnahme auf der Straße nur schwer möglich ist, gibt es dann andere Möglichkeiten, die Jugendlichen zu erreichen?

Altmann: Ich versuche es, indem ich die Jugendeinrichtungen in der Stadt unterstütze und Sportveranstaltungen organisiere. So wie beispielsweise den 1. Hettstedter Winterferiencup im Fußball, den ich gemeinsam mit dem Kreis-Kinder- und Jugendring und dem Kinder- und Jugendparlament Hettstedts organisiert habe. Das war ein voller Erfolg - riesiger Zuspruch, bunte Mischung an Teilnehmern und überregional angelegt. Es war der Auftakt für nachfolgende Veranstaltungen.

Welche Veranstaltungen sind denn noch geplant?

Altmann: Hauptthema ist gerade die Errichtung einer Dirtbahn am Ölgrundteich. Wir haben vor einer Woche Erde bekommen, aus der nun die Hügel für die Fahrradstrecke entstehen sollen. Arbeitstreffen und Arbeitseinsätze mit Jugendlichen stehen da an. Zum Wahltag am 25. Mai soll es eine Erstwählerparty in Hettstedt geben, bei der ein DJ Musik macht. Ein Volleyballturnier und ein Familiensportfest sind für den Sommer vorgesehen. Außerdem gibt es Konzepte, die ich in Zusammenarbeit mit Jugendeinrichtungen der Stadt erarbeite. Gerade arbeiten wir an einer Konzeption für ein interkulturelles Zentrum in Hettstedt, bei dem Integration von Ausländern eine große Rolle spielt. Ich bin außerdem offen für Ideen und freue mich auch über Vorschläge aus der Bevölkerung.

Sie sind studierter Sozialpädagoge. Warum haben Sie sich für diesen Beruf entschieden?

Altmann: In meiner Vergangenheit lief nicht immer alles glatt. Ich habe leider auch den einen oder anderen Bruch im Lebenslauf vorzuweisen. Viele der Probleme und Konflikte der heutigen Jugendlichen sind mir persönlich bekannt. Ich hatte jedoch die notwendige Unterstützung, um Lebensziele neu zu definieren und diese umzusetzen. So habe ich mit Ende 20 erneut die Schulbank gedrückt und Sozialpädagogik studiert. Für meine Arbeit sind meine persönlichen Erfahrungen aus meiner Jugendzeit ein ganz klarer Vorteil. Ich kann Erkenntnisse weitergeben und vielleicht als ein positives Beispiel gelten, nach dem Motto „Besser spät als nie“.