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Fledermäuse und Giftzug fest im Griff

Von Roman Haeusgen 23.01.2007, 17:43

Eisleben/Hettstedt/MZ. - "Barbastella barbastella?" Wolfgang Juwig bedient sich nicht plötzlich einer anderen Sprache. Er dreht sich in seinem Sessel zu einem Plakat an der Wand um, auf dem diese Worte zu lesen sind. "Die Mopsfledermaus", ergänzt der 65-Jährige und sein Gesicht beginnt zu leuchten. Denn das, was ihn mit dem Plakat verbindet, gehört genau so zu den "Fällen", mit denen er sich in den langen Jahren seines Dienstes von Amts wegen zu beschäftigen hatte, wie es eine Vielzahl anderer Begebenheiten und Ereignisse waren. Aber auf keinen Fall ist er damit einverstanden, dass seine Tätigkeit allein auf das reduziert wird, wie sein Amt landläufig meist genannt wird: das Umweltamt. Es gehören auch Naturschutz und Landschaftspflege dazu, der Artenschutz, der Gewässerschutz, die Abwasserbeseitigung. So sind zum Beispiel Kaufverträge über Ackerland zu kontrollieren und private wie gewerbliche Heizungsanlagen mit Öltanks zu beaufsichtigen, die mehr als 10 000 Liter Inhalt haben. "Das ist ein sehr vielseitiges Amt", sagt Juwig und ergänzt: "In dem man aufpassen muss wie ein Luchs."

Frau zum Arzt geschickt

Aber das ist ihm offenbar gelungen. Zu allem, was im Amt bearbeitet wurde, führte der Chef parallel eine Handakte, um stets auf dem Laufenden zu sein. Barbastella barbastella als eine der 40 bis 50 Akten war freilich nur ein dünner Hefter. Denn die Probleme mit den Mopsfledermäusen, die 1992 plötzlich aus dem Turm der Hettstedter Jakobikirche fielen, waren schnell erledigt. Zwar wurde eine Frau von einer Fledermaus gebissen. Doch wurde sie zum Arzt geschickt, um Tollwuterkrankung auszuschließen. Sie bekam eine Spritze, weiter passierte nichts.

Giftgase in Köhlerei

Wesentlich aufwendiger war es, im Wald bei Horla für Ordnung zu sorgen, wo eine Köhlerei statt naturbelassenem Holz, wie es Vorschrift ist, Fenster und Bauholz verarbeitete, was beim Verkohlen giftige Gase freisetzte. In zum Teil defekten Behältern wurden Holzteer und Holzessig gesammelt. "Das war extrem gefährlich, zumal dort Kinder spielten", erinnert sich Juwig an 1994. Die Firma wurde aufgefordert, das binnen kurzer Frist abzustellen. Doch das Unternehmen ging in Konkurs und der Betriebsleiter verschwand. Juwig und seine Leute mussten selbst ran. "Wir haben in Windeseile die Entsorgung durchgeführt, damit nicht noch mehr Schaden eintrat. An manchen Tagen sind wir zwei- oder dreimal nach Horla gefahren. Das ganze Amt war eingespannt." Die so genannte Ersatzvornahme durch das Amt, bei der alles eingeebnet und befriedet wurde, kostete natürlich auch Geld. Das Regierungspräsidium Halle habe damals zugesagt, die 160 000 Mark Kosten zu erstatten. "Aber erst nach zehn Jahren haben wir das Geld bekommen - jetzt, nachdem Herr Bullerjahn Finanzminister geworden ist", sagte Juwig schmunzelnd.

Im Amt für Blockpartei

Der aus Niederschlesien stammende Mann übte übrigens schon vor der Wende ein Amt aus. War er nach Ingenieurstudium ab 1976 Produktionsleiter im Hettstedter Walzwerk und zugleich schon Kreisvorsitzender der CDU, wurde er - sozusagen als Quotenmann für die Blockpartei - 1983 in den damaligen Rat des Kreises beordert, wo er für die so genannte Örtliche Versorgungswirtschaft zuständig war. Auch an die Dienstleistungs- und Handwerksbetriebe, für deren Materialkontingente er zuständig war, kann sich Juwig noch erinnern.

Mehr als zehn Jahre haben sich Juwig und seine Mitarbeiter mit den Löserückständen der Hettstedter Bleihütte herumgeschlagen, mit denen einst ein Geschäftsmann das ganz große Geld machen wollte.

Rasterplan für Bigbags

Angeblich könne er die vielen hundert Tonnen Rückstände, die als besonders überwachungsbedürftige Abfälle galten, in Leuna entsorgen, behauptete 1993 Heinrich Klefenz gegenüber der Treuhand, die damals das ehemalige Mansfeld-Kombinat verwaltete. "Aber als wir die zuständigen Leute in Leuna anriefen, mussten wir zur Kenntnis nehmen, dass die davon gar nichts wussten", so Juwig. Die Sache, in die auch die GSG eingebunden war, wurde der Staatsanwaltschaft übergeben. Inzwischen ist auch das Geschichte. Die so genannten Bigbags wurden 2003 im Teich zehn in Helbra eingelagert und eine Tonschicht sowie Erde über sie ausgebreitet. Und: Für jeden Bigbag ist anhand eines Rasterplanes genau erkenntlich, an welcher Stelle er in der Deponie steht.