"Ein Schlag ins Gesicht" DPA-Bericht über rechte Alltragskultur löst in Eisleben/Hettstedt Empörung aus.

Hettstedt/Eisleben - Der geständige Attentäter, der vor rund zwei Wochen Menschen jüdischen Glaubens in einer Synagoge in Halle töten wollte und zwei Passanten ermordete, stammt aus dem Mansfelder Land. Geboren in Eisleben, lebte er zuletzt im beschaulichen Benndorf. Aber sagt das etwas über die Region im Allgemeinen aus? Und wenn ja - was genau?
Ein Bericht der Deutschen Presse-Agentur, der diese Fragen berührt und online auch bei der MZ zu lesen ist, hat in Mansfeld-Südharz zu kontroversen Diskussionen geführt. In dem Text werden Rechtsextremismus-Experten zitiert, es ist von einer „rechten Alltagskultur“ im Mansfelder Land die Rede.
Es gebe häufig rechte Konzerte und Kameradschaftsabende in Eisleben und Umgebung, die rechte Kampfsportszene sei stark, sagte dort etwa ein Mitarbeiter der Arbeitsstelle Rechtsextremismus des Vereins Miteinander in Halle. Das Mansfelder Land sei zudem Schwerpunkt in der Arbeit der AfD.
Das trage dazu bei, dass rechte Gewalt begünstigt werde, zivile Gegenwehr sei selten, heißt es. Das sei beispielsweise in Halle anders. Dort gebe es starken Widerstand und Bündnisse, die sich für Weltoffenheit einsetzten.
Aussagen sind „viel zu pauschal“
Bei Lesern aus Mansfeld-Südharz haben diese Positionen teilweise große Empörung ausgelöst. Der Vorwurf: Es werde stark pauschalisiert, eine ganze Region für die Tat des Attentäters in Mithaftung genommen. „Sowas nennt man Vorurteile“, schreibt eine Nutzerin auf Facebook.
Auch aus der Politik kommt Kritik. Stefan Gebhardt, Landeschef der Linken, Kreistagsmitglied und Stadtrat in Hettstedt, sagte: „Ich teile die Aussage ausdrücklich nicht, dass es im Mansfelder Land kaum zivilgesellschaftliches Engagement gegen Rechtsextremismus gibt.
Das stimmt einfach nicht und ist viel zu pauschal.“ Den Menschen, die sich einbringen, werde das nicht gerecht. Gebhardt verwies in diesem Zusammenhang auch auf die Kirchengemeinden sowie das Theater in Eisleben. Dieses zeige „immer Haltung“, sagte er. Auch in Hettstedt gebe es seit vielen Jahren engagierte Leute. „Dort hat übrigens Die Linke bei den Stadtratswahlen mit mehr als 30 Prozent gewonnen, nicht die AfD“, sagte er.
Pauschalisierungen sind ein "Schlag ins Gesicht"
Gebhardt betonte indes, dass Rechtsextremismus und Antisemitismus große Probleme seien. „Darüber müssen wir reden.“ Die Situation im Mansfelder Land sei dahingehend jedoch nicht merklich anders als beispielsweise im Burgenlandkreis, in Anhalt-Bitterfeld oder Magdeburg.
Der Landkreis nannte Aussagen über das angeblich gering ausgeprägte zivilgesellschaftliche Engagement „einen Schlag ins Gesicht für alle, die sich für Demokratie und gegen Rassismus einsetzen“. Es gebe in Mansfeld-Südharz zahlreiche solche Initiativen, so Kreissprecherin Michaela Heilek.
Rüdiger Seidel, Vorsitzender des Vereins Eisleber Synagoge, bemüht sich seit vielen Jahren darum, die Erinnerungen an die jüdische Geschichte in Eisleben wachzuhalten. Antisemitismus und rechtsextreme Einstellungen existierten in der Region durchaus, sagte er.
Trotz Vandalismus an Eislebener Synagoge gibt es Gegenwehr
Die Eisleber Synagoge sei bereits beschmiert worden, 2015 schlugen Unbekannte ein Schweineohr an die Tür. Und erst vor wenigen Tagen, kurz nach dem Anschlag in Halle, fanden sich antisemitische Parolen auf dem jüdischen Friedhof. „Juden raus“ stand da, außerdem ein Hakenkreuz und ein SS-Symbol.
Gleichwohl widerspricht auch Seidel pauschalen Aussagen über die Region. Er erinnerte an die Gedenkveranstaltung in Eisleben zwei Tage nach der Tat. Nach einem Friedensgebet zogen rund 200 Menschen mit Kerzen zur Lutherstraße.
„Das zeigt, dass es Gegenwehr gibt“, so Seidel. Diese müsse jedoch stärker werden. In Hettstedt wird es unter dem Titel „Frieden für (H)alle“ am kommenden Sonntag in der Jakobikirche ein Mahnkonzert geben.
Norbert Born (SPD), Bürgermeister der Verbandsgemeinde Mansfelder Grund-Helbra, in der der Attentäter zuletzt lebte, kritisierte die aus seiner Sicht verallgemeinernden Aussagen über eine „rechte Alltagskultur“ im Mansfelder Land. „Meine Wahrnehmung von der Region ist eine andere.“ Das Mansfelder Land könne man zudem nicht mit einer studentisch geprägten Großstadt wie Halle vergleichen, die Strukturen seien gänzlich anders.
Gleichzeitig warnte Born davor, den Einfluss von Rechtsextremismus zu verharmlosen. Gerade in sozialen Netzwerken werde zum Teil versucht, den Anschlag von Halle und seine ideologische Dimension runterzuspielen, sagte er. „Das ist schlimm.“
AfD weist die Kritik zurück
Gunter Wakan, Kreischef der AfD, verwahrte sich dagegen, seine Partei in einen Zusammenhang mit dem Anschlag zu bringen. Durch solche Behauptungen werde versucht, von den eigentlichen Problemen in Mansfeld-Südharz abzulenken, sagte er. Den Anschlag in Halle nannte er eine „verabscheuungswürdige, antisemitische Tat“. (mz)
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