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Aus der Geschichte der Eisleber Wiese Aus der Geschichte der Eisleber Wiese: Einblicke in Sonderhefte des Volksfestes

Von Burkhard Zemlin 19.09.2016, 18:00
Ansichtskarte vom Wiesenmarkt, allerdings ohne Jahresangabe. Das Bild könnte vielleicht um das Jahr 1910 entstanden sein.
Ansichtskarte vom Wiesenmarkt, allerdings ohne Jahresangabe. Das Bild könnte vielleicht um das Jahr 1910 entstanden sein. Archiv/Peter Lindner

Eisleben - Freunde der Eisleber Wiese hüten die kleinen, oft schon vom Zahn der Zeit gekennzeichneten Hefte wie einen Schatz. Es handelt sich um Mitteilungen über die Wiese, die in manchen Jahren vor Eröffnung des Marktes unter die Leute gebracht wurden und heute begehrte Sammlerobjekte sind.

Erste Sonderheft zur Wiese von Reinhard Jud herausgegeben

Die Zahl dieser Sonderhefte ist überschaubar, das erste erschien nach Auskunft des Heimatforschers Peter Lindner im Jahr 1934 unter dem Titel „Rund um die Eisleber Wiese“, herausgegeben von dem Lehrer und Humoristen Reinhard Jud, der seinerzeit nach der Musik von Friedrich Rennert ein Wiesenlied geschrieben hatte. Das Heft enthält auf 16 Seiten Verse und nicht ganz ernst zu nehmende Ratschläge für ein „Wiesenmarkts-Vortraining“.

Erst 21 Jahre später kam das nächste Heft im Auftrag des Rates der Lutherstadt Eisleben heraus, die „Festschrift zum Eisleber Wiesenmarkt vom 17. bis 25. September 1955“. Auf den 25 Seiten finden wir hier 15 Anzeigen von Geschäften, deren Namen heute kaum noch jemand kennt. Einzige Ausnahme ist das Geschäft des Augenoptikers Wiegand, Eisleben, Markt 17, gegründet 1861 von J. F. Koch, das heute das älteste in Luthers Heimat sein dürfte.

Der Eisleber Wiesenmarkt geht laut Veranstalter auf einen im Jahr 1521 von Kaiser Karl V. verbrieften Ochsenmarkt zurück, weshalb dieses Jahr offiziell die 495. Wiese gefeiert wird. Doch die Zahl kann schon deshalb nicht stimmen, weil der Markt in Notzeiten oft ausfallen musste.

Es gibt keinen urkundlichen Beleg, dass die Wiese aus dem Ochsenmarkt hervorgegangen ist, sagen Heimatforscher. Vielmehr sei der Ochsenmarkt angesichts des Protestes der Leipziger Räte bald wieder eingegangen. Heimatforscher Peter Lindner verweist auf eine Urkunde des Kurfürsten von Sachsen, die am 18. Juli 1679 in Eisleben ausgestellt wurde. Aus ihr gehe hervor, dass der Markt seit 1678 stattfindet, allerdings nicht als Wiesenmarkt.

Dieser Name wurde erst 1726 von dem Chronisten Eusebio Francke zum ersten Mal gebraucht. Francke teilte über den Ochsenmarkt mit, dass dieser „seinen Fortgang nicht erreicht“ habe. (bz)

Aus einer anderen Annonce geht hervor, dass in der Karl-Fischer-Straße 21 die Damenkleiderfabrik Schließer zu Hause war. „Schließer-Kleidung, ein Qualitätsbegriff! Führend in Morgenröcken“, lesen wir. Eine Anzeige des Klubhauses der Jugend und des Sportes fordert auf: „Besuchen Sie unsere Veranstaltungen, Zirkel und Interessengemeinschaften“.

Eine Adresse anzugeben, erübrigte sich wohl, weil jedermann das Haus an der Wiese kannte, das im Volksmund immer das Wiesenhaus geblieben ist. Die Spirituosen- und Likörfabrik Otto Knigge empfahl ihre „bekannten Erzeugnisse“. Der Hersteller, der uns die Anschrift seiner Fabrik leider nicht mitteilt, warb unter anderem für seinen Kräuterbitter „Klosterkuß“ und den Trinkbranntwein „Der Reiter“.

Und was sagten die Mansfelder vor mehr als 60 Jahren über die Wiese? „Wie früher wird sie nie wieder“, lesen wir in der Festschrift, die fortfährt: „Die einen vermissen die großen Tanz- und Varietezelte, wie das bayrische Bierzelt, andere wieder die Achterbahn und die Dritten Bananen und Kokosnüsse. Es seien auch nicht genügend Aale und Bücklinge da und was dergleichen mehr.

Das bayrische Bierzelt und Haases Achterbahn aus Hannover würden wohl unseren Wiesenmarkt vervollständigen und wir wünschen aus ganzen Herzen, daß sie bald wiederkommen. Aber nicht allein wegen des ,Bayrischen' und der echten Oberländerkapelle und der Fahrt auf der Achterbahn, sondern weil ihre Teilnahme am Wiesenmarkt auch mit ein Markstein auf dem Wege zu unserer Einheit wäre. . .“

Rückschau auf Zeiten des alten Viehmarktes

Ein Jahr später waren solche Töne im Wiesenheft nicht mehr zu hören. Man beschränkte sich auf einen Rückblick auf die Zeiten des alten Viehmarktes, als noch am Sonntag, Punkt 14 Uhr, der Trubel begann. 1956 erfolgte die Eröffnung des Marktes bereits am Sonnabend, 14 Uhr, „vor dem Haus der Jugend und des Sportes“, wie dem Heft zu entnehmen ist, das für viele Jahre das letzte bleiben sollte.

1988 kam die Nr. 1 der Wiesenzeitung heraus. Es folgten weitere Programmhefte, so Peter Lindner. Das letzte erschien 1998. (mz)

Sonderheft zur Wiese, 60 Jahre alt.
Sonderheft zur Wiese, 60 Jahre alt.
Archiv/Peter Lindner