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Atlantik-Flug endet bei Bischofrode Atlantik-Flug endet bei Bischofrode: Warum Pilot Chamberlin notlanden musste

Von Burkhard Zemlin 09.06.2017, 11:13
Die Wegskizze des amerikanischen Piloten über das Festland.
Die Wegskizze des amerikanischen Piloten über das Festland. Archiv

Bischofrode - Vor 90 Jahren wussten die Behörden in Eisleben wohl gar nicht wie ihnen geschieht. Von Gott weiß woher kamen Anfragen von Zeitungen und Radiostationen nach dem Verbleib des Ozeanfliegers Clarence D. Chamberlin (33), insbesondere in den USA wollten die Medien alles über den Ausgang der zweiten Atlantiküberquerung wissen, die am 6. Juni 1927 vor den Toren der Lutherstadt ihr glückliches Ende gefunden hatte.

In New York gestartet: Eisleber Tageblatt sprach von einem „zweiten Transatlantikflieger-Taumel“

Drei Tage zuvor war Chamberlin in New York unter den Augen tausender Schaulustiger gestartet und hatte Kurs auf Berlin genommen. Das Eisleber Tageblatt sprach von einem „zweiten Transatlantikflieger-Taumel“, in den die Stadt verfallen sei, einem Taumel, der „demjenigen von Lindberghs Start in keiner Beziehung nachsteht“. Charles Lindbergh hatte wenige Tage zuvor als erster den Atlantik allein überflogen; er war am 21. Mai 1927 bei seiner Ankunft in Paris begeistert gefeiert worden. Chamberlin, der sogar einen Passagier mit an Bord hatte, sah in Berlin einem nicht minder riesigen Empfang entgegen. Bereits in der Nacht vor der erwarteten Ankunft rollte ein endloser Zug von Automobilen zum Flughafen Tempelhof, wie die Presse berichtete. Es gab zuverlässige Kunde, wonach der Flieger über England gesichtet worden war. Keiner ahnte vom Pech des Piloten, dessen Kompass schon über dem Atlantik versagte. Das erklärt, weshalb Chamberlin vom Kurs abkam und früh um 4 Uhr über Dortmund auftauchte. Es heißt, er sei hier mit seiner Maschine bis auf wenige Meter runtergegangen und habe fragend geschrien: „Berlin?!“

Bei Bischofrode ging der Treibstoff aus

Während in Tempelhof Tausende und Abertausende der Ankunft des Fliegerhelden entgegen fieberten, ging dessen Eindecker „Columbia“ kurz vor 6 Uhr bei Bischofrode der Treibstoff aus, Chamberlin musste notlanden, was dem kleinen Ort denkwürdige Stunden bescherte. Augenzeuge Otto Samtleben erinnerte sich viele Jahre später: „Die Maschine ist über den Ort gerast und dann runtergegangen. Das ging wie ein Lauffeuer durch das Dorf. Alle sind hingerannt.“

Bäckerlehrling Erwin Leuchte aus Helfta nahm als erster mit den Amerikanern Kontakt auf. „Er rannte sofort auf das Flugzeug zu, aus dem der Begleiter Chamberlins herausstieg“, wurde berichtet und dass der Junge zunächst nicht glauben wollte, wen er da vor sich hatte. Erst als ihm die Flieger amerikanische Zeitungen mit den Fotos Chamberlins zeigten, war er überzeugt. Er verstand, was diese mit Händen und Füßen zu erklären versuchten: dass sie Treibstoff benötigen.

Bahnstrecken Berlin und Cottbus verwechselt

Und so avancierte der Helftaer zum Helden des Tages. Er organisierte wer weiß woher ein Pferdegespann, das ein Hundertliterfass zum Flugzeug brachte.

Die Amerikaner bezahlten das Benzin mit Dollar und überlegten, wie sie tanken sollen. Eine Pumpe gab es nämlich nicht in Bischofrode, weshalb eine blecherne Kaffeekanne zum Einsatz kam. „Diese Kaffeekanne hat Stadtrat Franz Joest als historisches Andenken an den ersten Flug Amerika - Deutschland für die Stadt Halle erworben“, schrieben die „Hallischen Nachrichten“.

Nach dreieinhalb Stunden Zwischenstopp verabschiedeten sich Chamberlin und sein Begleiter von Bischofrode, blieben allerdings vom Pech verfolgt. Ohne Kompass orientierte sich der Pilot an den Eisenbahngleisen nach Halle, wo er jedoch den Schienenstrang nach Berlin verfehlte und irrtümlich der Bahnstrecke nach Cottbus folgte.

Hinter Cottbus war dann für die Flieger nach einer Bruchlandung erst einmal Feierabend. Sie erlebten jedoch einen begeisternden Empfang, zunächst in Cottbus, tags darauf in Berlin, das die Amerikaner nach Reparatur ihrer Maschine endlich doch noch erreichten. (mz)