Alexander Gauland in Eisleben Alexander Gauland in Eisleben: Provokateur im Tweed-Sakko - AfD-Wahlkampf

Eisleben - Die Holzbänke auf dem Eisleber Marktplatz sind schön geschwungen, hier können Rentner im Viertelkreis sitzen. Vor allem an diesem Freitagabend, an dem die AfD zum großen Auftritt in Mansfeld-Südharz eingeladen hat und Hunderte Menschen erwartet. So langsam verschwindet die Sonne im Rücken des Luther-Denkmals und auf der Bühne spricht André Poggenburg.
Der Chef und Scharfmacher der AfD in Sachsen-Anhalt ruft, „wir sind die einzige Partei in Deutschland, die Schluss macht mit linken Gesellschaftsexperimenten“. Als sich eine elegante Rentnerin mit dunkelblauer Handtasche zu den Herren auf die Bank setzen will, reißt sie überrascht Mund und Augen auf.
Alexander Gauland in Eisleben: Wahlkampf macht müde
Dort sitzt Alexander Gauland. Tweed-Sakko und Cordhose. Spitzenkandidat der AfD zur Bundestagswahl. 76 Jahre. Ellenbogen-Aufnäher. Der erregten Dame schenkt er ein müdes Lächeln. Dann stemmt er wieder die Ellenbogen auf die Knie, gähnt, schüttelt sich leicht. Wahlkampf macht müde. Neben ihm sitzt ein Eisleber, auf dessen Stoffbeutel steht: „Genießen mit den Stadtwerken.“ Poggenburg ruft: „Im Verfassungsschutzbericht steht ganz klar: Von der AfD geht keine Gefahr aus!“
Gauland blickt einem Hund nach. Müde, harmlos, volksnah wirkt er in diesem Moment unter den 250 Menschen auf dem Markt. Gauland ist in der AfD der Mann der Stunde. Im Bund soll er die Partei in den Bundestag bringen, zusammen mit seiner fast 40 Jahre jüngeren Co-Spitzenkandidatin Alice Weidel.
Immer wieder überschreitet er mit seinen Provokationen Grenzen. Wie zuletzt, als Gauland davon sprach, er wolle die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), in Anatolien „entsorgen“. Ein früherer Bundesrichter zeigte ihn wegen Volksverhetzung an.
Auch in Eisleben zeigt Gauland, dass er nicht nur müde, sondern auch ganz anders kann. Wieder wirft er Özoguz indirekt vor, eine vermeintliche Islamisierung in Deutschland voranzutreiben. „Da will jemand bewusst unseren Staat und unser Land verändern“, ruft er. Die drohende Überfremdung durch „illegale Masseneinwanderung“ - sie ist sein Hauptthema an diesem Abend. Und die Menge applaudiert immer dann, wenn Gauland laut wird.
Die Zuhörer nicken zu vielem, was Gauland in Mansfeld-Südharz sagt
Die Deutschen seien irgendwann „nicht mehr Herr im eigenen Land“, sie würden „allmählich in die Minderheit geraten“. Der Marktplatz klatscht. Martin Luther, oben auf dem Sockel, schaut an der kleinen AfD-Bühne vorbei. Zu Luthers Füßen stehen Männer, weniger Frauen, in T-Shirts, Sportjacken, sonnenbebrillt. Sie nicken zu vielem, was Alexander Gauland sagt.
Er weiß, wie er Menschen zum Applaudieren bringt. 40 Jahre war er in der CDU, vier Jahre leitete er die Staatskanzlei in Hessen. „Das deutsche Volk, das seid ihr, und deswegen müssen wir uns unser Land zurück holen“, formuliert er, angelehnt an den AfD-Slogan „Hol dir dein Land zurück“. Wieder Jubel. Jetzt ist es soweit, die Menge scheint bereit für harte Kost.
Also schildert Gauland den Eislebern den Fall eines Tschetschenen, der angeblich seine Frau umbrachte und aus dem Fenster warf. Vor Gericht sei der Mann nur wegen Totschlags verurteilt worden. Das sei „die Islamisierung der Rechtsprechung“, donnert Gauland. Dass er zuvor mit ruhiger Stimme erklärt hat, dass der Begriff „entsorgen“ im Fall Özoguz tatsächlich problematisch gewesen sei, scheint schon vergessen.
Rund 40 Minuten redet Gauland - im Angesicht Luthers, des Sohns Eislebens, den der AfD-Vizechef „einen stolzen Deutschen“ nennt. Dann geht er von der Bühne, hört seine AfD-Kollegen aus Sachsen-Anhalt reden. Und setzt sich zu den Rentnern. Wahlkampf macht müde. Minuten lang sagt er keinen Ton, schaut auf den Boden. Poggenburg ruft: „Wir wollen den Volksentscheid auf Bundesebene!“ Noch bevor Sachsen-Anhalts Landeschef fertig ist, steigt Gauland in seinen Volvo und fährt davon. (mz)