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100 Mark für den Hochzeitsschnaps

Von Helga Langelüttich 12.10.2006, 16:02

Helbra/MZ. - Kennengelernt hatten sich die beiden bereits 1938: Franz aus Merseburg und Hildegard aus Genthin besuchten zur gleichen Zeit Verwandte in Neu-Globsow, dabei stellte sich heraus, dass beider Verwandte auch miteinander verwandt waren. So lernten sich die jungen Leute kennen, aber, so Franz, "nur eben als Freunde", und mit einem schelmischen Blick zu seiner Frau: "Ich hatte ja eine ganz andere Freundin."

Im Krieg wurde Franz zu den Panzern eingezogen, er wurde nach Russland, auf den Balkan, später nach Italien und Frankreich geschickt. Über diese Zeit spricht er nicht gern. 1942 traf man sich wieder bei den Verwandten in Neu-Globsow, denn inzwischen hatte sich ein lebhafter Briefwechsel zwischen den beiden jungen Leuten angebahnt.

Zum Kriegsende kam Franz Rämmele in Frankreich in amerikanische Gefangenschaft, hatte aber Glück. Bereits Weihnachten 1945 konnte er bei Hildegards Eltern verleben, und da hat es wohl gefunkt: Im Juni 1946 feierte man Verlobung, am 12. Oktober des gleichen Jahres wurde geheiratet. "Zum Glück hatten die Schwiegereltern Kaninchen, die für das Festessen ihr Leben lassen mussten. Und für 100 Mark kauften wir eine Flasche Schnaps", meint der Jubilar.

Franz Rämmele wurde zunächst Lehrer, damals für einen Abiturienten nicht schwer. Er unterrichtete Mathematik, Physik und Chemie. Die frisch gebackene Frau Rämmele arbeitete als Buchhalterin zunächst bei einer Bank, dann in einem Krankenhaus. Der junge Lehrer wollte sich weiter entwickeln. So nahm er in Berlin ein Studium auf, um Lehrer für Naturwissenschaften zu werden. Als er an der Uni Halle weiter studierte, stellte man fest: Der Mann eignet sich als Hochschullehrer. 1957 promovierte er in Chemie und war Oberassistent an der Uni.

Dann kam, was man einen Karriereknick nennt: Der junge Mann war plötzlich aus politischen Gründen für eine Habilitation nicht tragbar und sollte in die Praxis. Über eine Tätigkeit bei den Zeisswerken als Abteilungsleiter kam er dann in die Lutherstadt Eisleben, wo er die Leitung des Zentrallabors übernahm.

Seit 1987 ist er Rentner und freut sich über seine kleine Familie, sein Haus in der Holzhaussiedlung von Helbra und darüber, dass er mit seiner Hildegard diamantene Hochzeit feiern kann.

Ein Hobby fällt dem Besucher sofort ins Auge: Es gibt in diesem Haushalt über 4 000 Bücher, vom Hausherrn sorgfältig katalogisiert - und gelesen. Frau Hildegard hat viel und gern geschneidert, aber das sei nun nicht mehr nötig, meint sie. Gereist wird immer noch, wenn auch nicht mit dem Flugzeug, sondern in die Umgebung.