Partizipation und die Hürden damit „Zukunftsreise Dessau-Roßlau“: Kann Bürgerbeteiligung bei Stadtentwicklung funktionieren?
Wie sich die Stadt entwickeln soll, erarbeiten 80 Bürger beim Projekt „Zukunftsreise Dessau-Roßlau“. Jetzt wurden erste Ergebnisse präsentiert. Dabei gab es auch einen kritischen Blick auf das Projekt.

Dessau-Roßlau/MZ - Bislang war nur die 80-köpfige Crew unterwegs, am Sonnabend waren erstmals Gäste willkommen: Das Projekt „Zukunftsreise Dessau-Roßlau“ hatte zum „Marktplatz der Ideen“ in den Saal der Stadtwerke eingeladen, um dort den Stand der Dinge zu präsentieren und zu diskutieren. Es geht um nicht weniger als die Zukunft der Stadt als Ganzes, und für diese können Bürger Ideen entwickeln, indes „keine Machbarkeitsstudien“, wie Michael Berghäuser, einer der Zukunftsreisenden betonte.
Entsprechend vielfältig sind die Ideen, die in zehn kleineren Gruppen entwickelt wurden. Da werden bessere Fernbahnanschlüsse gefordert oder eine Mobilitäts-App, ein „interaktives Portal“ solle Akteure in der Stadt zusammenbringen. Ein „Beatclub 2.0“ schwebt einer Gruppe vor, mehr experimenteller Städtebau in den Stadtumbaugebieten einer anderen. Beim „Grünstiften“ könnten Anwohner Patenschaften für Baumscheiben übernehmen und ein Studiengang Lehramt stünde der Stadt auch gut zu Gesicht. Eine Willkommensbox mit Infomaterial für Zugezogene wird gewünscht oder mehr Alterswohngemeinschaften.
Ob das Projekt wirklich funktioniert, Ideen aus der Bürgerschaft tatsächlich umgesetzt werden, muss die Zeit zeigen
Das alles sind, wie gesagt, erste Ideen, Wünsche, Vorschläge, die bis zum Herbst kommenden Jahres konkretisiert werden sollen. Den Rahmen dafür schafft das von der Stadtverwaltung beauftragte Institut für partizipatives Gestalten Oldenburg. Jedoch, so betonte dessen Mitarbeiterin Judith Wehrend am Sonnabend: „Wir sehen nur zu und reden, arbeiten müssen Sie selbst.“

Ob das Projekt wirklich funktioniert, Ideen aus der Bürgerschaft tatsächlich umgesetzt werden, muss die Zeit zeigen. Ebenso, ob die Unwucht bei der Zusammensetzung der Crew am Ende ein Problem darstellt. Die zeigte sich schon bei der Frage, wer von den über 100 Teilnehmern der Samstag-Veranstaltung aus Roßlau komme: Es waren exakt zwei Personen, die auch daran erinnerten, dass Dessau-Roßlau eben nicht nur aus Dessau bestehe. Ebenfalls dürftig vertreten waren die Vororte und hätte man weiter gefragt, dürften die Akademiker in der Überzahl gewesen sein.
Es sei, so erklärte Roland Wehking vom Institut für partizipatives Gestalten der MZ, umstritten, ob man für Ideenwerkstätten eine repräsentative Vertretung der Bürgerschaft benötige. Ihm stehe es als Auftragnehmer nicht zu, das Auswahlverfahren der Stadt zu bewerten. Grundsätzlich hatte sich jeder für die Zukunftsreise bewerben können. Für eine breitere soziale Streuung der Teilnehmer hätte man, so Wehking, „von Haus zu Haus gehen müssen“.
Mehrfach wurde die Gefahr angesprochen, dass die Zukunftsreise eine Alibiveranstaltung werden könne
Nicht die Aufgabe, neue Ziele auszumachen, könnte eine der größten Herausforderungen für die Zukunftsreisenden werden, auch nicht, sich im weiteren Prozess darauf zu verständigen, sondern sich zu einigen, in welcher Reihenfolge sie am besten angelaufen werden sollten, damit die Stadt unterm Strich am meisten davon profitiert. Denn selbst wenn es nicht um konkrete Machbarkeitsanalysen geht, so doch am Ende um die Verteilung finanzieller Ressourcen. Die Entscheidung für ein Projekt ist oft genug die gegen ein anderes, die Entscheidung für Dessau muss nicht, aber kann, die gegen Roßlau sein und so weiter.
Bevor sich am Nachmittag die Arbeitsgruppen für Diskussionen mit Gästen öffneten, gab es noch eine Diskussionsrunde. Mehrfach wurde die Gefahr angesprochen, dass die Zukunftsreise eine Alibiveranstaltung werden könne, die Stadtverwaltung am Ende sage, „jaja, alles prima“, aber nichts daraus folge. „Dann geht es nach hinten los.“