Zeit zum Zuhören schenken Zeit zum Zuhören schenken: Telefonseelsorge Dessau feiert 20-Jähriges

Dessau - Vor 20 Jahren wurde die Telefonseelsorge in Dessau gegründet. Das Jubiläum soll Ende Mai gefeiert werden - Ministerpräsident Reiner Haseloff kann dann aber nicht in Dessau dabei sein, weshalb er am Mittwoch die Gelegenheit nutzte, die von Andreas Krov-Raak geleitete Einrichtung zu besuchen.
Haseloff nahm sich ausführlich Zeit, um mit den Ehrenamtlichen, die hier anonym ihren Dienst versehen, ins Gespräch zu kommen. Der Staat, stellte er fest, könne nicht alle Probleme lösen. Deshalb sei es „gut zu wissen, dass es Sie als letzte Instanz gibt, dass jemand da ist, der anderen zuhört“.
Drei Telefonseelsorgen gibt es in Sachsen-Anhalt - in Magdeburg, Halle und Dessau. Dessau, so Krov-Raak, ist nicht nur für die kreisfreie Doppelstadt zuständig, sondern auch für die Landkreise Wittenberg, Anhalt-Bitterfeld, Salzlandkreis und Harz. An drei Standorten in dem Zuständigkeitsbereich versehen 75 Ehrenamtliche ihren Dienst. Wer aus der Region die bundeseinheitliche Nummer 0800-111 0 111 oder 0800-111 0 222 gebührenfrei vom Festnetz oder über D 1 anwählt (bald auch aus dem Vodafon-Netz) wird mit einem der Ehrenamtlichen der Telefonseelsorge Dessau, die in Dessau, Wittenberg oder Wernigerode Dienst versehen, verbunden und ansonsten mit einem Ehrenamtlichen in der Bundesrepublik.
Rund 20.000 Anrufe haben die Telefonseelsorge Dessau im vergangenen Jahr erreicht. Die größte Gruppe der Ratsuchenden bildeten Alleinlebende. Viele von ihnen nutzten das Angebot wiederholt, da es für sie eine der wenigen Möglichkeiten ist, mit einem anderen Menschen in Kontakt zu treten.
Aber auch Anrufe von Menschen, die in Partnerschaft und Familie leben, erreichten die Seelsorger am Notruftelefon. Zu den häufigsten Gesprächsthemen gehörten das körperliche und seelische Befinden der Anrufenden, Einsamkeit/Isolation, familiäre Beziehungen und auch Ängste.
„Sorgen kann man teilen“ ist ein Motto der Telefonseelsorge, und so kommen, sagt Krov-Raak, hier auch alle möglichen Sorgen und Probleme von Menschen zur Sprache. Einsame, Trauernde, Verzweifelte, die keine Arbeit finden oder Probleme in der Familie haben, auch Schüler, die dem Druck von Schule und Eltern nicht gewachsen sind, oder auch Menschen, die an Depressionen leiden, rufen an. „Wir hören zu und versuchen die Menschen zu begleiten“, sagt er.
Manches Mal aber handele es sich um einen Berg von Problemen. Dann müsse man erst einmal sortieren. Die Anonymität, so Krov-Raak, ermögliche es erst vielen Menschen überhaupt, in Kontakt zu treten, sich einem anderen anzuvertrauen. Oftmals sind sie froh, dass ihnen überhaupt jemand zuhört. Doch nicht nur am Telefon, sondern auch im Internet per E-Mail oder Chat könnten sich Menschen an die Telefonseelsorge wenden.
Die, die ihnen zuhören und Zeit schenken, sind Ehrenamtliche. Haseloff würdigte sie als „Rückgrat der Gesellschaft“. Eine Aufwandsentschädigung erhalten sie nicht, verpflichten sich aber, nach der Ausbildung zwei Jahre lang mindestens zwölf Stunden Dienst im Monat zu leisten. Viele bleiben dabei, denn durch das Ehrenamt, erfährt der Ministerpräsident, geben sie nicht nur etwas, sondern nehmen auch etwas für sich selbst mit, wachsen daran.
Auch Haseloff nahm am Mittwoch etwas mit, neben einem Engel, den ihm Krov-Raak überreichte, auch die Anregung, wie in Sachsen eine Ehrenamtskarte einzuführen, die verschiedene Vergünstigungen gewährt. (mz)