1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Dessau-Roßlau
  6. >
  7. Zäune gegen Wildschweine: Zäune gegen Wildschweine: Kleingärtner verbarrikadieren sich in Dessau-Törten und Haideburg

Zäune gegen Wildschweine Zäune gegen Wildschweine: Kleingärtner verbarrikadieren sich in Dessau-Törten und Haideburg

Von Heidi Thiemann 05.06.2018, 10:01
Horst Huth, sein Gartennachbar Manfred Friedrich und Gartenvereinschef Helmut Lackner (v.li.) bauen in der Gartenanlage „Am Schenkenbusch“ einen Zaun, der gegen die Wildschweine schützen soll.
Horst Huth, sein Gartennachbar Manfred Friedrich und Gartenvereinschef Helmut Lackner (v.li.) bauen in der Gartenanlage „Am Schenkenbusch“ einen Zaun, der gegen die Wildschweine schützen soll. Lutz Sebastian

Dessau-Roßlau - Mit einem professionellen Jäger, der zusätzlich in ausgewiesenen befriedeten Bereichen Schwarzkittel vertreiben und dezimieren soll, hat die Stadtverwaltung auf den anhaltenden Wildschweinärger reagiert. Neben dem Stadtjäger und sechs weiteren Jägern soll der Mann in Törten und Haideburg für mehr Ruhe sorgen. Von dort gibt es immer wieder Klagen. Besonders in den Morgen- und Abendstunden haben Fußgänger, Zeitungszusteller, Eltern von Schulkindern oder Kleingärtner Angst, den Tieren zu begegnen.

„Die Schweine haben keine Angst. Sonntagmittag haben sie im Lorkgraben geplanscht - direkt neben uns“, erzählt Helmut Lackner, Vorsitzender der Anlage „Am Schenkenbusch“. Zwar gab es eine Zeit lang Ruhe vor den Tieren, doch nun sind sie wieder da, durchwühlen wie schon im Vorjahr die Parzellen. Der Verein (107 Gärten) repariert seinen 1.000 Meter langen Zaun. 12.000 bis 15.000 Euro kostet ein neuer, der mehr Sicherheit bietet. „Wir sind am Rätseln, wie wir das machen“, sagt Lackner.

Die Wildschweine rücken von Törten und Haideburg immer mehr vor in Richtung Stadt

Zäune sind für Wolfgang Schröter, Vorsitzender im Bürgerfeld, nicht die Lösung. Die Gartenfreunde seiner Anlage verbarrikadieren jetzt ihre Parzellen mit allem möglichen - Metallstäbe, Paletten, was sie eben haben. „Das hat doch nichts mehr mit einer Kleingartenanlage zu tun“, sagt er, hat gleichwohl Verständnis, denn viele sind entmutigt, denken ans Aufhören. „Die Schäden sind immens“, bestätigt Heidi Kunze. Über 80-jährige Gartenfreunde hätten wie Kleinkinder geweint. Nahezu täglich fallen Wildschweine über Nacht ein, tagsüber streifen Frischlinge durch die Anlage mit 145 Gärten.

„Man muss wissen, wo die Tiere tagsüber sind und dort handeln“, sieht Schröter die Lösung bei den Jägern. Denn auch Kinderheim, Kindergarten und Schule sind in der Nähe. Die Tiere rücken von Törten und Haideburg immer mehr vor in Richtung Stadt, sind auch schon durch den Großring gelaufen. Neben dem „Bürgerfeld“, berichtet er, gibt es ein verwildertes ehemaliges Betriebsgelände. „Gartenfreunde hören die Tiere dort grunzen.“

Die Unzufriedenheit ist groß, weiß Joachim Ullrich vom Stadtverband der Gartenfreunde. „Vereine, die sich selbst geholfen haben, haben jetzt Ruhe.“ Der Stadtjäger unternehme viel, aber die Stadt insgesamt zu wenig.

Jagd auf Schwarzwild zeigt bislang keine spürbaren Erfolge

Es sei nicht so, dass nichts unternommen wurde, entgegnet Stadtsprecher Carsten Sauer. Im Jagdjahr 2017/18 seien von den Jägern 1.324 Stück Schwarzwild zur Strecke gebracht worden, fast 500 mehr als im Jagdjahr zuvor. Im Dezember wurden für befriedetet Bereiche in Törten und Haideburg Ausnahmegenehmigungen erteilt. Der Erfolg aber war sehr dünn: Lediglich vier Schwarzkittel wurden erlegt. Wenn Wild sich urbanen Lebensraum erobert hat, heißt es aus der Stadtverwaltung, könne es nur schwer vertrieben werden.

Bei Beratungen im April und Mai mit dem Kreisjägermeister, dem Jagdbeirat der Stadt, dem Landesforstbetrieb und Eigentümern von Flächen sei beispielsweise der Landesforstbetrieb gebeten worden, größere Bejagungsmöglichkeiten zu prüfen. Doch die Jäger könnten kaum mehr tun. Es müsste 80 Prozent des jährlichen Zuwachses an Schwarzwild gejagt werden.

Stadt will eine Aufwandsentschädigung beziehungsweise Abschussprämie für Schwarzwild prüfen

Ein Problem ist auch: Schwarzwild, das in der Muldeaue geschossen wird, lässt sich schwer vermarkten, darf nicht - im Gegensatz zum Rehwild - verzehrt werden. Der Aufkaufpreis sei um die Hälfte gesunken. Nun will die Stadt eine Aufwandsentschädigung beziehungsweise Abschussprämie für Schwarzwild prüfen, geht aus einer Informationsvorlage hervor, die in der Dienstberatung des Oberbürgermeisters behandelt wurde.

Dem Einsatz von Nachtsichtgeräten bei der Jagd erteilt die Stadt eine Absage. „Das ist in Sachsen-Anhalt verboten“, so Stadtsprecher Sauer. Nicht zulässig in Sachsen-Anhalt ist auch der Einsatz von Schalldämpfern bei der Schwarzwildjagd. Doch die Landesregierung prüfe gegenwärtig, ob der Einsatz mit Beginn der Herbstjagden möglich ist. (mz)

Frischlinge streifen seit ein paar Tagen durch die Kleingartenanlage „Bürgerfeld“.
Frischlinge streifen seit ein paar Tagen durch die Kleingartenanlage „Bürgerfeld“.
Schröter/privat