Wirtschaft Wirtschaft: Lieber Roßlau als München

Dessau-Rosslau - Er hat eine Firma in Roßlau, wohnt in Dessau. Und ist zufrieden. „Ich habe doch alles, was ich brauche und möchte, hier“, sagt Sascha Wetzel, 36, Familienvater und Unternehmer.
In Dessau hat er gelernt, bei der Firma Dessauer Gasgeräte. Es folgten Fachabitur, Studium und schließlich die Anstellung bei einem großen deutschen Autobauer. Wetzel stand dort auf der Karriereleiter. Er arbeitete als Konstrukteur und war schon bald Projektleiter. „Ich habe Verantwortung gehabt, habe Aufgaben delegiert“, erzählt er. Dennoch: „Das ist nicht meins, den ganzen Tag im Büro zu sitzen. Mir war das zu langweilig“, sagt er, und auch, dass Geld nicht alles ist.
29 ist Wetzel, als es ihm über ist, 500 Kilometer weg von der Heimat zu leben, im Drei-Wochen-Takt von München nach Hause zu fahren. Er kommt zurück, arbeitet als freier Konstrukteur und ist unter anderem Dozent bei der IHK in Leipzig. Nebenbei arbeitet er an der Verwirklichung seines Plans: 2010, vor fünf Jahren also, gründet er die Firma Wetzel Oberflächentechnik GmbH auf dem Gelände des ehemaligen Wissenschaftlich Technischen Zentrums (WTZ) in der Roßlauer Karl-Liebknecht-Straße. Unterstützung hatte er bei der Firmengründung von der Wirtschaftsförderung der Stadtverwaltung erhalten, der IHK, der Dessauer Stadtsparkasse, die das Risiko mit einem Kredit mitgegangen ist. Geholfen hatte auch der Gründungszuschuss der Arbeitsagentur.
Nach Aussagen des Focus-Magazins lässt es sich in Dessau-Roßlau nicht gut leben. Doch stimmt das? Was bewegt Menschen, ausgerechnet hier zu investieren, ihre berufliche Zukunft auf- und auszubauen. Welche Potenziale sehen sie am Wirtschaftsstandort Dessau?
Der Anhalt-Kurier geht dieser Frage nach und stellt in der Serie „Dessau-Roßlau lohnt sich“ Zuzügler und Rückkehrer nach Dessau-Roßlau vor, die sich für den Wohn- und Arbeitsort Dessau-Roßlau entschieden haben. Sie wagten hier den Schritt in die Selbstständigkeit, nahmen eine leitende Position in einem aufstrebenden Dessauer Unternehmen ein, übernahmen hier eine Firma oder übersiedelten mit ihrer Firma hierher oder sie wünschen sich eine Rückkehr in ihre Heimat Dessau-Roßlau.
Nach dem Auftakt der Serie mit einem Interview mit Andrea Gebhardt, der Leiterin des Amtes für Wirtschaftsförderung, Tourismus und Marketing (MZ vom 15. August), dem Porträt über Oliver Ullmann (22. August), der aus Hanau nach Dessau gekommen ist, um eine Physiotherapie aufzubauen, wird heute Sascha Wetzel vorgestellt. Nachdem er in München gearbeitet hatte, baute er vor fünf Jahren seine Firma Wetzel Oberflächentechnik GmbH in Roßlau auf.
„Ich habe mir eine gebrauchte Anlage aus Karlsruhe geholt und die alleine aufgebaut“, sagt Wetzel. Ein Vierteljahr hatte das gedauert, dann „ging es mit einem Schlag los“. Wetzel ruft Schlosser und Metallbauer in der Region an, bietet Pulverbeschichtungen an, denn die haben viele Vorteile: Korrosionsschutz, Kratzschutz, Schlagschutz, Witterungsfestigkeit, Oberflächenveredelung und mehr.
„Keiner hat mir zugetraut, dass das was wird“, blickt er zurück. Doch nach einem halben Jahr kann er seinen ersten Mitarbeiter einstellen. Heute beschäftigt er vier Mitarbeiter. Aus der Industrie, dem Blech- und Metallbau, der Kfz-Branche hat er Kunden gewinnen können. „Wir machen spezielle Sachen - von Hightech bis hin zu Zaunfeldern“, erzählt er stolz.
Die Firma ist klein. „Meine Mitarbeiter sind mir wichtig, die Leute sind motiviert“, sagt der Chef. Er wisse, er könne sich auf sie verlassen. Die Auftragslage ist gut. 2012/13 wurde sogar zweischichtig gearbeitet. Doch im vergangen Jahr gab es eine kurze Flaute weil ein großer Kunde weggebrochen war. Das musste weggesteckt werden, doch der 36-Jährige ist Optimist und Realist, der längst an eine Produktionserweiterung denkt. Wo? „Ich bleibe in der Stadt.“ Hier habe er mittlerweile viele Leute kennengelernt, ein Netzwerk aufbauen können dank Unternehmertreffen, Unternehmerfrühstück, Handwerkerstammtisch, IHK und Wirtschaftsförderung. „Das alles ist sehr positiv“, findet er und lobt insgesamt die vielfältige Unterstützung von der Stadt. „Alleine könnte ich das nicht hinbekommen.“ (mz)
