Westernreiten Westernreiten: Abkehr vom Cowboy-Image
Könnern/MZ. - Ein Mann und ein Pferd. Ohne jedes Hilfsmittel dirigiert er es, und es bewegt sich frei und ungebunden. Der Moment ist leise, schön und verfehlt seine Wirkung nicht.
Das "Geheimnis" ist zwar schnell entzaubert, doch überzeugend. Mit Einfühlungsvermögen und Beobachtungsgabe hat Yves Keppe gelernt, mit den Augen der Pferde zu sehen und eine Sprache zu sprechen, die sie verstehen: ihre. Wenn er ein Pferd ohne Longe und lange Peitsche in eine Richtung dirigiert, dann macht er das so, wie es die Leittiere in der Herde tun.
"Ich bedaure es sehr, dass sich viele nicht die Zeit nehmen, ihr Pferd auf der Koppel zu beobachten, wie es sich in der Herde verhält. Denn ein Pferd ist nun mal kein Sportgerät." Würden die Menschen die Pferde mehr beobachten, sie wirklich sehen, dann gebe es weniger Probleme. Davon ist er überzeugt.
Der innere Drang, auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Tiere einzugehen, brachte den 32-Jährigen weg von der klassischen, englischen Reitweise und hin zum Westernreiten. Denn er hatte auf Dolly gehört: "Die Stute hat Widerstand geleistet. Ich merkte, das Pferd will nicht englisch geritten werden."
Statt es sich mit eisernem Willen unterzuordnen, begann Yves Keppe zu lesen. Er wollte heraus finden, welche Techniken bei den verschiedenen Reitweisen besser sind, welche schlechter. Dogmen und blindes Beharren darauf, dass die eine die einzig wahre Reitweise sei, mag er nicht. "Ich fände es gut, wenn die Westernreiter den Sitz der klassischen Reitweise übernehmen und die klassischen Reiter zügelunabhängig wie beim Western reiten würden."
Viele Gleichgesinnte hat er mit dieser Idee noch nicht gefunden. Stattdessen muss er damit leben, zuweilen als kleiner Cowboy belächelt zu werden: "Es gibt Leute, für die sind wir die Blöden." Ganz nach dem Motto: Wer nicht richtig reiten kann, wird Westernreiter. Keppe kränkt das, denn Westernreiten ist alles andere als simpel; wer die klassische Dressur nicht beherrscht und keinen ausbalancierten Sitz hat, ist auch hier auf dem Pferd der Verlierer.
Auf seiner "Double Free Ranch", die er sich auf dem familieneigenen Gelände am äußersten Rand von Könnern eingerichtet hat, versucht er das inzwischen auch anderen zu vermitteln. "Ich stelle mich nicht hin und sage, Westernreiten ist das Beste. Ich beobachte die Leute, wie sie auf dem Pferd sitzen, und gebe Denkanstöße. Denn jeder Reiter muss für sich entscheiden, wann er den nächsten Schritt tut. Nur wenn ich merke, dass er sich selbst im Weg steht, dann muss ich ihm das auch klarmachen."
Seine Reitschüler sind vor allem Mädchen im Teenageralter, die zum Teil anderswo schlechte Erfahrungen gesammelt haben oder von Ängsten blockiert sind. "Cool" sein will dort keine. Nur wieder losgelassen reiten können.
Auch Keppe ist weit davon entfernt, einen Möchtegern-Wildwesthelden abzugeben, selbst wenn die Freiheit und Ungebundenheit, die für ihn das Westernreiten ausmachen, manches Mal zu spaßigen Kraftproben werden, die nicht immer ungefährlich sind. "Mir ist kein Berg zu hoch oder zu steil", sagt er, und wo sich andere überlegen, ob sie zu Fuß hinab steigen, da gehe er mit dem Pferd runter. Ab und zu nimmt er eines der Ropes - der Lassos - von der Wand und fängt bei einem Freund ein paar Kühe von der Weide.
Auch die Kinder, die bei ihm reiten, müssen schon mal als Beute herhalten: "Das ist Spaß. Denn Kinderfüße auf dem Hof sind das eine; ein Pferd, ein Rope und eine Kuh sind eine andere Geschichte." Deswegen würde er gern zu Rodeos fahren, sich im Calf Roping oder Barrel Racing ausprobieren. Rodeos sind für den Reiter der pure Spaß: "Es werden nicht überall Bullen mit Elektroschockern gequält."
Keppe macht Unterschiede, bei vielem. Der Drang zur "extremen Professionalität" etwa ist ihm zuwider. Zu viele Pferde müssten unter dem falschen Bild leiden, das so mancher Reiter von sich hat.
Gekürzte Fassung - Den Originaltext lesen Sie in der Lokalausgabe Bernburg am 22.06.2002.