Kommt die Ausgangsbeschränkung? Was würde die Sperrstunde auf den Dörfern von Dessau-Roßlau bringen?
Ob eine Ausgangsbeschränkung helfen kann, die Pandemie zu besiegen, ist hochumstritten. Besonders in den Ortschaften wird der Sinn angezweifelt.

Dessau-Roßlau - Die politischen Größen und Entscheider ringen in der dritten Welle von Corona-Infektionen um eine bundesweit gültige Notbremse. Dafür soll das Infektionsschutzgesetz geändert, sprich verschärft werden. Am Mittwoch wird darüber im Bundestag abgestimmt.
Der Regierungsentwurf sieht bei Überschreitung von Inzidenz-Schwellenwerten weitere Schließungen vor, um das Infektionsgeschehen zu bremsen. Betroffen sind Geschäfte, Schulen, Dienstleister und Freizeiteinrichtungen. Im Vorfeld besonders heftig kritisiert wird die vorgesehen Ausgangssperre. Die soll nun von 22 bis 5 Uhr gelten (Stand Montag).
Ist das in großen Städten und ländlichen Gebieten gleichermaßen zielführend? Was sagen Ortsbürgermeister in Dessau-Roßlau dazu? Die MZ hörte sich um.
Meinsdorf: Einfach nur sauer
„Ich kann nur hoffen, dass es nicht zur Ausgangssperre kommt. Völlig unverständlich“, nennt Hans-Peter Dreibrodt die in der Bundes-Notbremse vorgesehene drakonische Maßnahme und einen massiven Eingriff in die Bürgerrechte. Der zudem überhaupt nichts einbringen würde, wie der Meinsdorfer Ortsbürgermeister findet.
Diese Meinung höre er auch von vielen Meinsdorfern in seinem persönlichen Umfeld und Bekanntenkreis: „In unseren Augen läuft derzeit vieles nicht gut. Die Leute sind einfach nur noch müde, fertig, sauer und erschöpft.“ Seit voriger Woche gibt es wegen Corona auch in der Meinsdorfer Grundschule keinen Unterricht mehr. Damit werde auch für Eltern und Großeltern das Paket immer schwerer zu schleppen. „Und das noch dazu über unsere Langzeit-Baustellen-Umleitung.“
Waldersee: Leute diszipliniert
Als Hauptzielgruppe einer Ausgangssperre sieht Ortsbürgermeister Lothar Ehm seine Walderseer nicht. „Das wäre bei uns nicht so nötig, denn die Menschen hier sind sehr diszipliniert.“ Nächtliche Ausflüge stünden bei den meisten Walderseern ohnehin nicht auf dem Plan.
Verständnis für diese rigorose Maßnahme hat Ehm aber dennoch. „Ich verstehe, dass man nach Möglichkeiten sucht, wie die Pandemie einzudämmen ist. Das hätte aber schon viel eher passieren müssen“, sagt er. „Vor allem an Schwerpunktorten.“ Denn auf die Vernunft der Menschen könne man nicht bauen. „Die gibt es kaum“, so der Walderseer.
Kleinkühnau: Völlig verkehrt
Kleinkühnaus Ortsbürgermeister Hendrik Weber (Neues Forum - Bürgerliste) hält Ausgangssperren für „vollkommen verkehrt“. „In großen Städten mag das eine Möglichkeit sein, die Leute auseinander zu halten“, schätzt Weber ein. In kleinen Ortschaften sei das jedoch nicht sinnvoll. Insbesondere sei unklar, was die Ausgangssperre denn nun genau bedeute. „Muss ich im Haus bleiben oder darf ich mich zumindest auf meinem Grundstück bewegen?“, kritisiert Weber, dass die angedachte Maßnahme bislang nicht konkret genug geregelt sei.
Besonders leid tue es ihm für die Jugendlichen. „Die treffen sich trotzdem und müssen dann eben heimlich unterwegs sein“, hat Weber Verständnis. „Nur dann können wir gar nicht kontrollieren, wie das abläuft.“ Dürften sich die Jugendlichen im Jugendtreff oder zumindest zu Hause treffen, könne man sie dagegen auch ein wenig im Blick behalten.
Doch auch im Allgemeinen hält Weber weitere Verschärfungen für kontraproduktiv. „Die Kühnauer sind sehr diszipliniert gewesen. Gerade die Senioren halten sich konsequent an die Abstandsregeln.“ Dadurch habe es wenig Fälle in seinem Ort gegeben. „Daher wäre das Verständnis für Ausgangssperren sicher gering.“
Mosigkau: Noch kein Thema
Auch Mosigkau als Dessau-Roßlauer Ortsteil wäre von einer Ausgangssperre betroffen. Menschenmassen sind dort zwar schon tagsüber eher selten zu sehen und nachts schon gar nicht. „Aber wir gehören nun einmal zur Stadt dazu. Mit gehangen, mit gefangen“, sagt Mosigkaus Ortsbürgermeister Jakob Uwe Weber.
Über die Sinnhaftigkeit der Ausgangssperre will er nicht diskutieren. Das sei der falsche Ansatz. Ziel dürften nicht Ausnahmen für einzelne Ortschaften sein, sondern die Inzidenzzahl für ganz Dessau-Roßlau herunter zu bekommen. Und da sieht Weber, der als Oberbürgermeister kandidiert, Versäumnisse in der bisherigen Stadtverwaltung. Eine bessere Teststrategie und die Nutzung digitaler Kontaktermittlung, etwa der Luca-App, hätte helfen können, dass Dessau gar nicht erst in die Lage kommt, eine Ausgangssperre verhängen zu müssen, sagt er. Eine mögliche Sperrstunde sei im Dorf bisher aber noch kein Gesprächsthema. (mz)