Kultkneipe wechselt Namen Warum das „Bibers“ aus der Dessauer Kneipenszene verschwindet und doch irgendwie bleibt
Kultkneipe wechselt Namen und Chefin - aber nicht den coolen Status.

Dessau - Die beiden Frau sitzen in einer Ecke der Kneipe, vor sich provisorisch ein Smartphone aufgebaut für das Livevideo. Die Wände hinter ihnen sind mit Plakaten tapeziert, mit denen für eine einst lokal legendäre Musikveranstaltung geworben wird. „Wo wir sitzen“, erklärt Tina Winter den Zuschauern des Videos, „das wird die ’Bibers Corner’.“
Eine Art Schrein, in dem an „Biber’s Corner“ erinnert wird, jener vor 19 Jahren von Dirk Breitfeld gegründeten Kneipe, der längst Kultstatus zugeschrieben wird.
Seit sechs Jahren ist Tina Winter Chefin im „Bibers“ (den Zusatz „Corner“ ist längst gestrichen worden). Der Laden brummt - wenn nicht gerade Corona herrscht. Und nun, im September, soll alles vorbei sein?
Für manche Stammgäste geht es um alles oder nichts
Es ist komplizierter und wird wohl nicht ganz so schlimm, wie manche Stammgäste befürchten. Neben Winter hat Edith Richter Platz genommen - sie wird die neue Chefin vom „Keller“. Die bisherige und die künftige Wirtin nutzen einen Livestream, um den Wechsel, wie sie auf Facebook schreiben, so transparent wie möglich zu machen.
„Transparenz“ klingt mit Bezug auf eine Kneipe etwas hochgestochen, aber wie gesagt, für manche Stammgäste geht es um alles oder nichts. Da muss man erklären und beruhigen, und daran erinnern, dass vor sechs Jahren schon mal umdekoriert wurde. Und ja, der Kicker werde bleiben, und ja, es wird Livemusik geben, und ja, auch das Kneipenquiz soll bleiben.
Dirk „Biber“ Breitfeld hatte 2002 „Biber’s Corner“ eröffnet
Winter, gelernte Restaurantfachfrau, hatte eigentlich von „Gastro die Schnauze“ voll, als sie hörte, ihre Stammkneipe stünde zum Verkauf. Sie wurde mit den damaligen Eigentümern schnell handelseinig und übernahm das, wie sie sagt, „Wohnzimmer für coole Leute“. „Das war kein großes Risiko, du hast alle gekannt, du hattest Stammgäste.“ Trotzdem: Sechs Jahre Kneipe reichen ihr. Sie will eine kleine Gaststätte eröffnen. „Ich koche für mein Leben gern.“
Ihr Plan, umzusatteln ist älter als Corona. Das Problem: Eine passende Nachfolge zu finden. „Hätte ich an irgendjemand verkauft und wäre ein Döner-Laden draus geworden, hätten die Leute mich gehasst.“
Dirk „Biber“ Breitfeld beobachtet die Entwicklung interessiert. Er hatte 2002 „Biber’s Corner“ eröffnet, der zuvor ein Bistro war, die längste Zeit jedoch Café, das seit 1971 von der Familie Meyer betrieben wurde und ab Ende der 70er Jahre einen gewissen Kultstatus unter Jugendlichen erlangte - bis das Rauchen dort untersagt wurde.
Seit 2006 wechselten mehrfach die Besitzer, doch stets kamen die neuen Betreiber aus dem Kreis der Gäste
Der Start von „Biber’s Corner“ verlief glatt. „Ich hatte das für meinen Dunstkreis aufgemacht, für Bekannte und Freunde und die brachten wieder Leute mit.“ Seit 2006 wechselten mehrfach die Besitzer, doch stets kamen die neuen Betreiber aus dem Kreis der Gäste.
Das gilt auch für die Neue, für Edith Richter. Sie kommt aus Dessau, kennt das „Bibers“ und geht schon länger mit der Idee schwanger, in die Gastronomie einzusteigen. Für sie bedeutet das einen kompletten Umstieg - die studierte Medienmanagerin und Journalistin arbeitet momentan in einer Berliner Kanzlei mit Schwerpunkt Filmförderung.
„Das wird cool. Und es kommt drauf an, was ihr draus macht.“
Mit ihr wird zumindest der Name „Bibers“ aus der Dessauer Kneipenlandschaft verschwinden. Das „Bibers“ wird - obwohl ebenerdig - „Der Keller“, eine Anspielung auf den inzwischen geschlossenen Jugendtreff der nur 100 Meter entfernten katholischen Gemeinde Peter & Paul. Für mindestens zwei Generationen nicht nur katholischer junger Leute bot der ein wichtiges Biotop.
Ein bisschen was von dort will Richter ab 1. Oktober in den „Keller“ einbringen. Und auch, wenn der künftig eine Nichtraucherkneipe sein wird, beruhigt Tina Winter ihre Stammkundschaft: „Das wird cool. Und es kommt drauf an, was ihr draus macht.“ (mz)