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Wachsende Population Wachsende Population: Waschbären breiten sich in Dessau aus

Von Silvia Bürkmann 18.05.2015, 18:08
Schreck in der Waschküche! Wer macht sich’s denn da gemütlich?
Schreck in der Waschküche! Wer macht sich’s denn da gemütlich? Brahimi Lizenz

Dessau - Ein gehöriger Schrecken ist da am Samstagabend MZ-Leserin Gerlind Brahimi widerfahren: Geht sie doch ahnungslos in ihre Küche... und plötzlich: „Springt doch so ein großes Tier vom Tisch, da, wo das Katzenfutter stand, hin zum Fenster, reißt die Blumentöpfe runter, klettert rauf auf die Gasuhr. Und guckt mich ganz entsetzt an.“ Nein, Frau Brahimi konnte es nicht fassen: Ein Waschbär in voller Lebensgröße hat sie da heimgesucht. Und nun wüsste sie gern, ob es auch in Dessau-Roßlau schon viele dieser pelzigen Einwanderer gibt. Denn beheimatet ist der kleine Bär ursprünglich in Nordamerika. Gerlind Brahimi aber wohnt in Dessau-Mildensee.

Für Biologen und Naturschützer ist der Waschbär „einer der erfolgreichsten Neozoen des europäischen Kontinents, da er sich innerhalb weniger Jahrzehnte über weite Teile Deutschlands ausgebreitet hat. Neozoen sind durch bewusste oder unbewusste, direkte oder indirekte Hilfe des Menschen in Gebiete eingebracht worden, in denen sie ursprünglich nicht vorkamen. Viele Jäger und Förster sowie einige Naturschützer sind der Ansicht, dass die als unkontrolliert bezeichnete Ausbreitung negative Auswirkungen auf das Ökosystem der deutschen Wälder habe. (Quelle: Wikipedia).

Der Waschbär ist seit längerem in Europa auf dem Vormarsch und entwickelt sich in Deutschland zu einer echten Landplage. Heute sind es wohl mehr als eine halbe Million - und keine Ende ist in Sicht. Immer häufiger trifft man den maskierten Eindringling auch in heimischen Gärten, auf Terrassen und Balkonen oder auf Dachstühlen an, wo er Blumenbeete verwüstet, Mülltonnen ausräumt und Haustiere böse anfaucht.

In Sachsen-Anhalt hatte das Landwirtschaftsministerium im Vorjahr von einem rasanten Anstieg der Raubtiere gesprochen. Deren Zuwachs wird schon seit 20 Jahren beobachtet. Der ungebetene Zuwanderer werde wegen seiner raschen Ausbreitung auch zur Gefahr für die heimische Tierwelt, da er zum Beispiel Feldhasen, Rebhühner und Wasservögel aus ihren Revieren verdrängt oder als Nesträuber aktiv ist, heißt es aus Magdeburg.

Sei es nun im Wald, auf dem Feld oder am See, dank seiner Anpassungsfähigkeit nutzt der „Kulturfolger Waschbär“ auch städtischen Lebensraum. Geeignete Schutzmaßnahmen werden also immer wichtiger, denn hat sich der Waschbär einmal eingenistet, wird man ihn so schnell nicht wieder los. Auf gar keinen Fall soll ein Tier gefüttert und damit an die Nahrungsquelle gewöhnt werden.

Um Haus und Garten für die Tiere möglichst unattraktiv zu machen, sollten einige einfache Regeln unbedingt beachtet werden. So ist ein immer abgedeckter Kompost und ein verschlossener Mülleimer ratsam. Die nachtaktiven Eindringlinge wühlen in den hinterlassenen Abfällen und stellen sich so ihr tägliches Menü zusammen. Bei reicher Auswahl kommt der Waschbär gerne wieder.

Über Katzenklappen oder offen stehende Türen gelangen Waschbären bis ins Haus. Oder die geschickten Kletterer steigen übers Dach ins Haus ein, wenn ein nahe der Hauwand stehender Baum oder Rank- und Kletterpflanzen an Hauswänden als Leiter „genutzt werden können“. Auf dem Dachboden finden die unerwünschten Gäste ihren Schlaf- oder Wurfplatz, zerstören die Dach-Isolierung oder verursachen allein durch Kot und Urin hohe Schäden. Ist ein Waschbär eingezogen, kann versucht werden, ihn über seinen empfindlichen Hör-, Seh- und Geruchssinn zu vertreiben. Mit lauter Radiobeschallung, Beleuchten des Verstecks mit hellem oder flackerndem Licht oder dem Verbreiten unangenehmer Gerüche, zum Beispiel durch Mottenkugeln, sollte möglichst von Anfang an versucht werden, dem Plagegeist das Verweilen so ungemütlich wie möglich zu machen.

Ganzjährige Jagdsaison

Der nimmersatte Störenfried darf in Sachsen-Anhalt ganzjährig bejagt werden, eine Jagdsaison erstreckt sich vom 1. April bis zum 31. März des Folgejahres. Und die Weidmänner zwischen Arendsee und Zeitz sind fleißig. Wurden im Jahr 2012/13 noch 16.283 Tiere zur Strecke gebracht, waren es 2013/14 bereits 16417 Tiere.

In der Oberen Jagdbehörde im Landesverwaltungsamt Halle läuft derzeit die Erfassung aller Strecken beim Schalenwild (darunter Horn- und Geweihträger und Schwarzwild), Niederwild (z.B. Hasen, Wildkaninchen, Rebhühner, Gänse) und Raubwild (z.B. Waschbären).

Die Untere Jagdbehörde (angesiedelt im Amt für Ordnung und Sicherheit der Stadt Dessau-Roßlau) hat gerade die aktuellen Zahlen aufbereitet: Im Jagdjahr 2014/15 hat sich die Zahl der erlegten Waschbären im gesamten Stadtgebiet massiv gesteigert. Waren es 2013/14 noch 170 Tiere, so wurden im Jahr 2014/15 342 Waschbären zur Strecke gebracht. „Das ist eine absolute Verdopplung“, informiert Stadtsprecher Carsten Sauer. Und staunt selbst, wenn er die Zahl von 2012/13 zugrunde legt: Da wurden 111 Waschbären im Stadtgebiet Dessau-Roßlau erlegt. Es gab stetigen Aufwuchs, aber zuletzt eine regelrechte Explosion in den Jagdrevieren. Davon hat Dessau-Roßlau insgesamt 27. Sechs davon bejagt der Landesforst, neun liegen in stadteigenen Waldflächen und zwölf habe die Jagdgenossenschaft in Pacht gegeben.

Nur Jäger dürfen auf Pirsch gehen

Die Pirsch auf das Raubwild Waschbär bleibt den Jägern vorbehalten. So ist es untersagt, Hunde auf Waschbären zu hetzen. Nicht nur, dass dies einen schweren Verstoß gegen das Tierschutzgesetz darstellt, sondern weil solche Konflikte auch für den Hund gefährlich werden können.

Auch ist es gesetzlich verboten, Waschbären mit einer Lebendfalle zu fangen und an anderer Stelle wieder auszusetzen. Ein solcher Fang muss direkt vor dem Haus wieder in die Freiheit entlassen werden. Dabei ist jedoch äußerste Vorsicht geboten, denn ein gefangener und in die Enge getriebener Waschbär kann unter Umständen sehr aggressiv werden. (mz)

Die Jägerschaft Dessau gibt Auskunft über bestehende Jagdmöglichkeiten: Anke Lange, Untere Jagdbehörde Stadt Dessau-Roßlau, Tel. 0340/2041732