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Von Shakespeare und Spitzbeinen

Von Thomas Altmann 02.10.2006, 15:41

Dessau/MZ. - Doch - "die trag'sche Bürde dieses Betts" - unterm Zudeck hausen Flöhe. Da juckt's die Tote, bis der Vorhang endlich fällt.

Den Floh im Trauer-, den Stachel im Liebes-, die Pein im Lustspiel und andere Anekdoten durfte man erwarten, am Sonntag im Johannbau. Ellen-Jutta Poller, Bärbel Röhl und Susanne Roder, alle spielten über kurz oder lang auf der Dessauer Bühne, lasen aus ihrem Gemeinschaftsbüchlein "Komödiantenzwirn". Im Manuela Kinzel Verlag Dessau erschien soeben die zweite Auflage. Neu ist der Ort des Geschehens, das Café im Museum für Stadtgeschichte, welches nun vielleicht zum Lesecafé werden wird.

Gebissen wurde Ellen-Jutta Poller in Shakespeares Trauerspiel. Seither habe sie eine gewisse Aversion gegen das Sterben. Ein nettes Fegefeuer. Doch so theater-anekdoten-selig sind die kleinen literarischen Dinger gar nicht. Gut, Sultan Saladin und Sittah wurde der Trabi geklaut. Aber der wahre Ring ist schwerer zu finden als ein Einheitsauto. Franziska sei, wieder Lessing, schwanger geworden. Die Wut der Regisseurin: "Entweder Theaterspielen oder vögeln".

Was wir nicht zu entscheiden haben, verzeichnete Bärbel Röhl, der in Schwerin Gemeines widerfuhr. Zehn Jahre mimte sie das Gretchen: "Bin weder Fräulein weder schön", heißt es im Text. "Stimmt" habe einer im Publikum gerufen. Eine Umbesetzung folgte nicht. Viel mehr Komödiantenzwirn wird nicht gesponnen. Komödiantinnen sind offenbar auch Menschen. Poller erzählt aus der Kindheit, von ihrem Vater, von der Bombennacht, warmherzig und mild augenzwinkernd. Röhl trägt typisch ostdeutsche Händel recht direkt nach und Susanne Roder steht gleich gar nicht auf der Bühne. Dafür sitzt sie mit wunden Füßen in der Wiener Staatsoper oder mit kneifenden Knöpfen in Bayreuth: Verdi und Wagner und Leiden an der Bekleidung. Graue Haare werden noch Thema, das Alter, menschlich Allzumenschliches, Frauliches eben.

Aber das Ganze ist nicht nur wohl temperiert notiert. Es hat Biss. Die goldene Fünfzig zum Fünfzigsten habe sie fühlen lassen wie eine Jubiläumsfleischerei in einer Kleinstadt, zwischen Spitzbeinen und Mettwürsten ein Schweinskopf im Fenster, "eine Scheibe Zitrone, ein Petersiliensträußchen und die goldene Fünfzig im Maul". Doch den Schweinskopf stört kein Floh nicht mehr, wahrscheinlich.