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Transsexuelle Dessauerin Transsexuelle Dessauerin: Kampf um OP mit der Krankenkasse

Von Tina Edler 09.10.2015, 19:44
Jenny B., die bis vor einem halben Jahr als Jens im Personenstandsregister eingetragen war, streitet sich mit ihrer Krankenkasse um eine Operation, die für ihre Zukunft als Frau nötig ist.
Jenny B., die bis vor einem halben Jahr als Jens im Personenstandsregister eingetragen war, streitet sich mit ihrer Krankenkasse um eine Operation, die für ihre Zukunft als Frau nötig ist. Sebastian Lizenz

Dessau - Jenny B. ist verzweifelt. Die Dessauerin weiß nicht weiter. Seit einem Jahr streitet sie sich vor Gericht mit der AOK Sachsen-Anhalt. Denn Jenny hieß eigentlich Jens, ist ein Mann - noch - denn der letzte Schritt zum neuen Ich fehlt. Eine geschlechtsangleichende Operation. Doch genau dieser Punkt bereitet mehr Probleme als anfangs gedacht. Denn die Krankenkasse will nicht zahlen - obwohl es dafür offensichtlich keinen Grund gibt.

Alle notwendigen Voraussetzungen seien erfüllt, erzählt die 43-Jährige. Die erforderlichen Gutachten vom Psychologen sind vorhanden. Die Hormonbehandlung läuft seit einem Jahr ohne Probleme. Das alles zahlte die AOK Sachsen-Anhalt sogar schon. Die Personenstandsänderung von Jens zu Jenny wurde ebenfalls vor einem halben Jahr vollzogen. „Mein Anwalt hat alle rechtlich offenen Fragen ausgeräumt und dennoch bekomme ich regelmäßig eine Ablehnung. Die Bescheide der Krankenkasse und die Begründungen darin sind haarsträubend“, sagt Jenny B.

Kein Grund für eine Kostenübernahme

So gibt die Krankenkasse beispielsweise an, dass Transsexualität ja keine Krankheit sei und die betroffene Patientin sich selbst auch nicht als Kranke bezeichnete und daher kein Grund für eine Kostenübernahme der Operation bestehe. Eine Äußerung, die Jenny B’s Psychologe, PD Dr. Kurt Seikowski von der Universität Leipzig, schlichtweg als „Quatsch“ bezeichnet: „Transsexualität ist nach wie vor in der für alle Krankenkassen gültigen Internationalen Krankheitsklassifikation (ICD-10) aufgeführt und daran haben sich alle Krankenkassen zu halten. Es gibt keinen Grund, die Kostenübernahme abzulehnen.“

Liste der Argumentationen ist lang

Die Liste der Argumentationen seitens der AOK geht noch weiter und mit jedem neuen Antrag von Jenny B. scheint es auch immer wieder neue Gründe für eine Ablehnung zu geben. Zuletzt wurde ein psychologisches Gutachten von der AOK gleich in verschiedenen Varianten ausgelegt. Darin schildert Dr. Seikowski, als betreuender Psychologe, dass sich durch die fachlich nicht begründete Verzögerung der Leidensdruck der Patientin stark erhöhe und eine Suizidgefährdung drohe. Die Antwort der Krankenkasse verschlug Jenny B. fast die Sprache: „Die meinten, es könne ja nicht so schlimm sein, da ich ja nicht wegen Suizidgefahr in Behandlung bin und auch noch keinen Suizidversuch unternommen habe. Man könnte fast annehmen, dass dies eine Einladung zum Selbstmordversuch war.“

Suizidrisiko nimmt zu

Nur wenige Wochen später wurde das gleiche Gutachten noch einmal von der Krankenkasse abgelehnt. Diesmal lautete aber die Begründung, dass man jetzt aufgrund der Suizidgefahr von einer psychischen Erkrankung ausginge und daher keine OP bewillige. Ein absolutes Unding in den Augen des Psychologen. „Je länger die Anpassung an das andere Geschlecht hinausgezögert wird, desto größer wird das Suizidrisiko. Meiner Meinung zählt das dann zur unterlassenen Hilfestellung seitens der Krankenkasse.“ Durch die Verzögerung könnten ebenso Depressionen bei Patienten zunehmen. Das würde in der Folge auch zu einem gesteigertem medizinischen Aufwand führen und damit zu erhöhten Kosten für Behandlung und Medikamente, erklärt der Psychologe. „Im Endeffekt wäre das für die Krankenkasse kostenintensiver als die eigentliche geschlechtsangleichende Operation.“

Dass es einmal eine solche Tortur sein würde, damit hatte Jenny B. nicht gerechnet. Am Anfang hatte sie sich mehr Gedanken um ihr Outing gemacht. Wie würden die Menschen reagieren, Freunde, Familie? „Zu meinem Glück hatten fast alle meine Freunde, Bekannten und auch die Familie mehr Verständnis und Toleranz als ich es mir je erträumt hätte. Das ist glücklicherweise bis heute in meinem Umfeld, mit wenigen Ausnahmen, so geblieben.“

„Ich habe mich 35 Jahre lang versteckt.“

Mit dem Outing änderte sie aber nicht einfach nur ihre Optik - wechselte von Männer- auf Frauenkleidung, sondern ein Stück weit auch ihr altes Wesen, entwickelte neue Interessen. Dinge, die vermutlich schon lange im Verborgenen in ihr schlummerten. Jenny B. lebte als Jens das Leben, was die Gesellschaft eben von einem jungen Mann erwartet: Beziehungen zu Frauen, eine Ausbildung als Elektriker und er wird Vater. „Ich habe mich 35 Jahre lang versteckt.“

Nach ihrem Outing 2013 hatte sie die Hoffnung, endlich angekommen zu sein. Doch die letzten Monate machen ihr zu schaffen. „Ich will keine Sozialleistungen schmarotzen, sondern am Ende ganz einfach meinen Weg als Frau gehen und einfach nur mein Leben leben.“ Ihr Psychologe macht ihr indes Mut: „Solche Kämpfe mit Krankenkassen habe ich schon ein paar Mal miterlebt. Aber am Ende haben wir gemeinsam mit den Patienten das Ziel erreicht. Bei dem einen geht es mal schneller, bei dem anderen dauert es eben länger.“ Jenny B. blieb jetzt nur noch der Schritt, Klage beim Sozialgericht in Dessau einzureichen, um so hoffentlich an ihr ersehntes Ziel zu kommen. Die AOK wollte sich auf Nachfrage der Mitteldeutschen Zeitung nicht zum Sachverhalt äußern, da es sich um ein laufendes Verfahren handle. (mz)