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Traditionsgeschäft in Johannisstraße Traditionsgeschäft in der Dessauer Johannisstraße: Wo der Schwatz seit 30 Jahren zum Genuss gehört

Von Heidi Thiemann 02.10.2018, 05:00
Seit 30 Jahren führt Birgit Knobloch ihr Geschäft.
Seit 30 Jahren führt Birgit Knobloch ihr Geschäft. Lutz Sebastian

Dessau - Sie hat die Spezialitäten von früher extra ins Schaufenster gestellt: Den „Dessardi“-Früchtetopfansatz, eine Original Hobuschflasche, hergestellt zur 775-Jahrfeier von Dessau, den Kräuterschnaps Boonekamp und viele andere. Die nämlich hatte Birgit Knobloch vor 30 Jahren im Angebot, als sie das Tabakwaren- und Spirituosen-Spezialgeschäft von Margot Wolther in der Johannisstraße übernahm.

Das zählte 1988 bereits mit zu den ältesten Geschäften der Stadt. Am 9. Oktober 1909 hatte es Wolthers Vater Franz Schildhauer mit seiner Frau Anna in der Askanischen Straße gegründet. 1967 musste der Tabak- und Spirituosengroßhandel „Zigarren-Schildhauer“ dort weichen und zog in die Johannisstraße um. Es ist das einzige Geschäft seiner Art, dass es nach dem Krieg bis heute noch in Dessau gibt. Birgit Knobloch ist stolz auf diese Historie, die sie seit 30 Jahren weiterschreibt.

Birgit Knobloch: „Ich war Kommissionshändlerin der HO“

Am 1. Oktober 1988 allerdings war der Laden, den sie übernahm, noch kein Privatgeschäft. „Ich war Kommissionshändlerin der HO“, erzählt die 65-Jährige. Nur beim Dessauer Großhandel konnte sie einkaufen, was sie dann im kleinen Geschäft anbot. Goldbrand für 14,50 Mark oder Goldkrone waren besonders gefragt, ebenso der im Volksmund bekannte „Blaue Würger“, ein Klarer. Doch auch Weine, Sekt und Tabakwaren gingen über den Ladentisch.

Nur zwei Jahre später - mit der Wende - hatte sich das Sortiment schlagartig erweitert. „Da gab es plötzlich keine Zuteilung von Kontingenten mehr. Wir konnten einkaufen nach Herzenslust - auch überregional und auf Messen“, erinnert sich Birgit Knobloch lebhaft. Im Mai 1990 übernahm sie das Geschäft in eigene Hände. Das firmiert heute unter Knobloch’s Genuss Company, hält aber die Schildhauer’schen Traditionen weiter hoch.

Bereut, dass sie vor 30 Jahren ihr Geschäft eröffnet hat, hat Birgit Knobloch nie

Nach 1990 waren die Menschen im Kaufrausch, erzählt die Chefin. Dass sie zum Beispiel mal 150 Whisky-Sorten im Sortiment hat, hätte sie auch nicht gedacht. Heute stehen zahlreiche Spezialitäten in den Regalen, gibt es für Zigarren einen Klimaraum. „Die Kunden sorgen dafür, dass wir nicht stehen bleiben. Da kommen immer wieder Wünsche und Input von außen. Dadurch sind wir flexibel“, erzählt sie.

„Wir“, das waren anfangs Knobloch, ihre Nichte und Vater Walter Arlt. Der frühere Chef des Kristallpalastes hatte seine Tochter lange und gerne unterstützt. Später kam Ilona Gunkel dazu, die nun aber in Rente geht. Seit vier Wochen ist deshalb Ariane Wollschläger neu im Geschäft. „Wenn ich gerufen werde, helfe ich“, versichert Gunkel, auch in der Rentenzeit bei Bedarf da zu sein.

Bereut, dass sie vor 30 Jahren ihr Geschäft eröffnet hat, hat Birgit Knobloch nie. Kunden halten ihr bis Wittenberg, Bitterfeld oder Köthen die Treue. Viele kommen aber auch aus dem Kiez im Johannisviertel. Neben dem Einkauf trifft man sich zum Schwatz. Auch das mache den Laden aus, sagt Knobloch. Dass sie nun mit 65 „von 150 auf Null“ geht, ist nicht zu erwarten. „Das kann ich meinen Kunden nicht antun“, sagt sie - und sich wohl auch nicht. (mz)

Das Geschäft in der Johannisstraße.
Das Geschäft in der Johannisstraße.
Lutz Sebastian